Wildes Männle bekommt neues Häs
Zur Zeit, als die Kienberger bei Oberstsdorf noch die Lugenalpe im Oytal besaßen, fand sich jedes Frühjahr, wenn man in die Alpe zog, ein wildes Männle ein, übernahm das Vieh und hütete es dann den ganzen Sommer über gar fleißig, so dass man nie Unglück hatte und mit ihm stets wohl zufrieden war. Das Männle ging aber nie in die Hütte, und so legte man ihm das Essen stets auf einen Stein, den es sich zum Lieblingsplätzchen ausgewählt hatte. Weil es aber nie einen Lohn begehrte, so beschlossen die Alpbesitzer, sie wollten es freiwillig entlohnen, und da mittlerweilen sein „Häs“ gar „lotschig“ geworden war, so ließen sie ein grünes Röcklein machen und legten es auf den Stein. Da nahm das Männle den Rock, zog ihn an, betrachtete sich dann selbstgefällig von alles Seiten und rief:
„ Gott i sei so hübsch und fei
Und sott dao no a Kuhhiert sei!“
Darauf ging es fort und kam nie wieder.
aus Reiser: S. 147 (Wilde Männle verrichten Hirtendienste, 1)