Wilde-Männle (Erläuterungen)

Wildleuteteppich aus dem 15. Jahrhundert
Wildleuteteppich aus dem 15. Jahrhundert
gemeinfrei

Wenn man unsere Sagenlandschaft mit anderen aus deutschen Landen vergleicht, wird man feststellen, dass sie sehr „eigen“ ist. Besonders die Wilde-Männle-Sagen sind beinahe so etwas wie eine Allgäuer Spezialität.  Beim genaueren Hinsehen wird man dabei feststellen, wie komplex eine Sagenvorstellung werden kann. Sehr viele heterogene Einflüsse haben sich hier zusammengefunden. Früher waren die Wilden Männle eigentlich über ganz Europa verbreitetet und fanden sich auch in der Kunst und Literatur des Mittelalters. Eingang in Sagen fanden sie jedoch hauptsächlich nur bei uns im Allgäu.

Viele Teile ihrer Sagen sind  mit Motiven versehen, die ursprünglich in Zwergen- bzw. Schrättlesagen beheimatet waren So verschwanden sie, wenn sie zu sehr belohnt wurden oder brauchten menschliche Geburtshilfe.

Doch scheinen insbesondere bei unseren Allgäuer Wilden Männle auch historische Hintergründe mitzusprechen. In unseren Sagen werden sie - bis auf wenige Ausnahmen - als sehr hilfsbereit geschildert. Sie sind meist die besten Hirten und kennen sich oft auch in der medizinischen Betreuung der Tier aus. Sie lassen sich fast nur mit Nahrung bezahlen und verschwinden bei zu guter Bezahlung. Auch werden sie heimgerufen, wenn ein Mitglied ihrer Sippe stirbt. Gekleidet sind sie leider nicht wie bei unserem Oberstdorfer Wildesmännlestanz, sondern tragen oft ärmliche Kleidung. Vieles spricht dafür, dass sie uns an die rätoromanischen Vorfahren erinnern. Als die Alemannen im Jahre 496 von den Franken besiegt wurden, mussten sie sich neue Siedlungsgebiete suchen. Als Heimatvertriebene und Flüchtlinge wies ihnen der Gotenkönig Theoderich das Land zwischen Lech und Bodensee zu. Dieses Gebiet war nach den Alemanneneinfällen von den Römern aufgegeben worden. Die romanische Oberschicht hatte es schon längst verlassen. Zurückgeblieben waren nur wenige romanisierte Kelten und Räter, die zum Teil als Viehzüchter die Alpen bewohnten. Ganz langsam stießen nun die Ackerbau betreibenden Alemannen in unser Gebiet vor und trafen dort vereinzelt auf die rätoromanische Urbevölkerung. Bei diesem Zusammentreffen gab es sicher viele Situationen, in denen die Wilden Männle den zugezogenen und gebirgsunerfahrenen Alemannen helfen konnten. Durch Assimilation verschwanden im Laufe der Jahrhunderte die Wilden Männle.

Tanz zweier wilder Männer mit einer Frau
Tanz zweier wilder Männer mit einer Frau
gemeinfrei (Hoffotograf Teufel)
Wildes Mändle im Oytal (Trachtenverein Oberstdorf, 2008)
Wildes Mändle im Oytal (Trachtenverein Oberstdorf, 2008)
Herbert Gruber