Graf Christoff von Vojkffy (1879 - 1970)
D'r Boatschexavere erforscht die Steinzeit
In Tiefenbach führt ein Wanderweg von der Pfarrkirche zu den südlichen Felsabstürzen am Ochsenberg, dem Jehlefelsen mit seinen weit überhängenden Felsen aus Schrattenkalk. Er trägt den eigentümlichen Namen Graf Vojkffy Weg. Da fragt man sich natürlich, woher dieser seinen Namen bekam? Wer war dieser Graf Vojkffy?
Aus den Erzählungen meines Großvaters wusste ich, dass die Oberstdorfer den "Boatschexavere", wie er spöttelnd genannt wurde, damals in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts nicht für voll genommen hatten. Dazu trug sicher auch sein ungewöhnliches Aussehen wesentlich bei. Von Statur war er lang und dürr, an den Füßen trug er Wickelgamaschen und im Winter dicke Pelzstiefel. Für die Kinder war er ein gern gesehenes Objekt des Spottes. Er soll total verarmt gewesen sein und seine Schwester Janka von Vojkffy hielt ihn sehr kurz. Sogar das Geld für ein Bier in der Wirtschaft musste er sich meistens anschreiben lassen. In der Bevölkerung war man der Meinung, dass er ein Ungar sei, da er seinen „ungarischen“ Akzent ganz besonders herausstellte. Er erzählte gerne, dass er verarmt sei, weil ihm alle seine Besitzungen genommen wurden. Anscheinend nannte er sich selbst oft einen "Honved-Offizier".
Frau Emma Pressmar, eine Freundin des Grafen, überlieferte hierzu eine bezeichnende Anekdote:„Bei einer Grabung in Oberstdorf 1935 - ich glaube, es war am Plattenbichl - kamen Sommerfrischler vorbei und einer fragte: »Einjeborner, was machen Sie denn da?« Graf Vojkffy erklärte mit dem ihm eigenen Humor die geologische und vorgeschichtliche Situation, und man sah förmlich die mesolithischen wilden Männle über die Felsen laufen. Das »Nordlicht« schenkte Graf Vojkffy Geld. Das war sogar dem Dackel Pete zu viel, weil der Geldgeber seinem Herrn zu nahe kam. Pete knurrte und bellte. Am Abend … im »Baur am Platz« … [rief] … nach dem Essen .. Graf Vojkffy laut den Ober: »Bringen Sie mir Ihre teuerste Zigarre, denn ich bekam heute 5 Mark geschenkt!« Das »Nordlicht« saß am Nebentisch und war perplex, den »Einjebornen« im Smoking zu sehen. Er kam an unseren Tisch, entschuldigte sich, und wir hatten unseren Spaß.“
Wollen wir nun sehen, welche dieser Aussagen wir verifizieren können. Die erste Anlaufstelle ist auf jeden Fall das Einwohnermeldeamt. Dort erhielt ich die folgenden Lebensdaten: Christoff Graf von Vojkffy (im Folgenden nur „Christoff“ genannt) wurde am 29.11.1879 in Oroslavje geboren. Er war jugoslawische Nationalität und kam wahrscheinlich im Jahr 1915 nach Oberstdorf. Dort wohnte er bei seiner Schwester Janka von Vojkffy (im Folgenden nur noch Janka genannt), geboren am 12.03.1881 in Klagenfurt, im Haus Nr. 162 1/3, demFuggerhaus. Janka war schon seit 1906 in Oberstdorf. 1935 zogen beide zuerst in die Oststraße (alte Hausnummer 98) und dann in die Plattenbichlstr. 29 zur Gräfin Behr um. Am 26.8.46 verlegten sie ihren Wohnsitz nach Schloss Oberndorf, Oberndorf am Lech.
Diese Daten wollen wir nun der Reihe nach aufarbeiten. Christoffs Geburtsort Oroslavje liegt etwa 30 km nördlich von Zagreb im heutigen Kroatien. 1879 gehörte die Ortschaft natürlich noch zur österreichisch-ungarischen Monarchie und hier genauer gesagt zur ungarischen Reichshälfte, denn Kroatien stand lange in Personalunion mit Ungarn. Dies erklärt wahrscheinlich, warum sich Christoff selbst gerne als "Ungar" bezeichnete, obwohl er ja eigentlich ein "Kroate" war. Der von ihm genannte Begriff „Honvéd“ steht übrigens für die ungarische Landesverteidigung, deren Angehörige Mitglieder der königlich ungarischen Landwehr waren. In dem Städtchen Oroslavje steht heute noch eine Schlossanlage, als deren frühere Besitzer unter anderem die Familie Vojkovic genannt wird. Die Familie lässt sich bis in das Jahr 1224 zurückverfolgen. Unter Kaiserin Maria Theresia erhielten zwei Mitglieder der Familie wegen ihrer Dienste im Siebenjährigen Krieg gar einen ungarisch-kroatischen Grafentitel.
Wie es schließlich zur dramatischen Eheschließung zwischen Christoffs Vater Janko, Graf Vojkffy von Vojkovic und seiner Mutter Pauline, Gräfin Fugger, der Tochter Karl Ludwigs, Fürst Fugger von Babenhausen (1829-1906) kam, darüber berichtetet Frau Hilke Hennig: „Als die junge Paula während der Wiener Ballsaison in die Gesellschaft eingeführt wurde und eines Abends mit dem jungen Kavalier Janko in einer Loge saß, äußerte sie sich ungehalten darüber, dass für sie die Festzeit nun zu Ende sei, weil in der Familie des "katholischen Rindviehs namens X" ein Todesfall vorliege und sie deshalb heimkehren müsse. Das "Rindvieh" saß in der Nebenloge und hörte die Bemerkung. Im daraufhin für die Ehre seiner Dame geführten Duell verlor Janko eine Hand.“
Am 9. Januar 1879 heirateten die beiden in Klagenfurt. Anfangs lebte das junge Paar noch auf dem Familienschloss in Oroslavje, doch Vater Janko Vojkffy musste seine Heimat verkaufen. Er besaß anscheinend eine Spielernatur und brachte seinen ganzen Besitz auf diese Weise durch. Deswegen zogen sie schließlich nach Klagenfurt, denn dort ließ Paulas Vater extra ein Palais für die verarmte Familie erbauen. Am 12.3.1881 wurde Janka in Klagenfurt geboren. Die Ehe zwischen Janko und Pauline war jedoch überaus unglücklich, denn er blieb ein Frauenheld und Draufgänger. Als Pauline in der Folge auch eine Liaison einging, glaubte Janko sich wieder duellieren zu müssen. Ehe es jedoch dazu kam, schied die 39jährige Gräfin 1896 lieber freiwillig aus dem Leben. Das tragische Ereignis zog große Kreise und das Palais wurde anschließend verkauft. Noch heute kann es in Klagenfurt besichtigt werden. Es steht am Theaterplatz und heißt heute „Palais Fugger“. Neben Christoff und Janka hatten die beiden noch einen Sohn Hubert (geb. 27.05.1883 in Klagenfurt, gest. 17.06.1962 in Donauwörth). Dieser heiratete übrigens später die Prinzessin Margit von Arz-Vasegg. Vater Janko starb ein Jahr nach seiner Ehefrau am 23. Mai 1897 in Karlovac (Karlstadt) im heutigen Kroatien.
Christoff besuchte zu diesem Zeitpunkt schon eine Schule in Augsburg. 1892 beendete er sein sechstes Schuljahr mit durchwegs sehr guten Noten und erhielt ein sogenanntes Reifungszeugnis. Später besuchte er die Theresianische Akademie in Wien und schloss die dortige bürokratische Ausbildung 1901 mit Prüfungen im römischen und deutschen Recht mit genügendem Erfolg ab. Danach wechselte er nach Innsbruck und studierte Jura. Anscheinend brachte er es jedoch nie zu einem Abschluss. Dort lässt er sich 1902 und 1904 mehrmals fotografieren. Für 10 Jahre verliert sich nun sein Spur.
Seine Schwester Janka zog 1906 in das hochherrschaftliche Fuggerhaus in Oberstdorf. Dieses hatte ihr Onkel Fürst Karl Fugger von Babenhausen (1861-1925) im Jahre 1892 nach Plänen von Prof. Rommeis im Allgäuer Landhausstil als Sommerhaus erbauen lassen. Es lag im östlichen Teil des heutigen Fuggerparkes gegenüber der evangelischen Kirche und hatte die alte Hausnummer 162 1/3. Das gesamte Areal des heutigen nordöstlichen Fuggerparkes gehörte damals dem Fürsten und war parkähnlich ausgestaltet. Der nächste Nachbar war der Braumeister Melchior Jauss, der schon 1885 im südwestlich angrenzenden Jaussgarten seine Villa erbauen ließ. Ich vermute, dass Janka für ihren Onkel die Funktion einer Gesellschafterin ausübte. Genaueres ist mir jedoch nicht bekannt.
Spätestens 1915 zog Christoff bei seiner Schwester als Untermieter ein. Doch lange konnte er dort nicht gewohnt haben, denn schon am 15.5.1915 wurde er als Korporal zum 53. K. und K. Infanterie-Regiment nach Zagreb eingezogen. Kurzzeitig war er auch im 25. Kgl. Ungar. Honved Infanterie-Regiment. Das Kriegsende erlebte er als Kompanie-Kommandant der Maschinen-Gewehr-Kompanie in Südtirol. Auf jeden Fall durften die beiden im Fuggerhaus bis 1935wohnen, bis die Erben ihres Onkels das Haus an den Markt Oberstdorf verkauften. Janka erhielt zunächst vom Verschönerungsverein und dann später von der Kur AG eine Leibrente bis zu ihrem Tod*. Die Gemeinde plante eigentlich das Anwesen als Lesehaus zu nutzen. Bei den Umbauarbeiten kam es jedoch 1936 zu einer folgenschweren Unachtsamkeit beim Schweißen und das Haus brannte ab.
Christoff und Janka waren zu diesem Zeitpunkt schon in die Plattenbichlstraße umgezogen. Zum Glück hatten sie das Gästebuch des Fuggerhausesmitgenommen. Es kam später über Umwege zurück nach Oberstdorf und ist heute im Besitz des Heimatmuseums. Ein Eintrag in diesem Gästebuch lässt vermuten, dass das Haus in der Plattenbichlstraße auch dem Familienclan der Fugger gehörte.
Christoff war jedoch ein unruhiger Geist und des Öfteren auswärts, so z.B. 1937 in Mauern. Darauf komme ich später zurück. Offiziell verließen beide Oberstdorf am 26.8.1946 in Richtung Schloss Oberndorf am Lech, nördlich von Augsburg. Die beiden zogen in den folgenden Jahren ruhelos von einem Schloss zum anderen, wohnten teilweise innerhalb eines Monates an mehreren Plätzen. Am 21.11.1957 landete Janka in Dillingen und scheint dort ihren Lebensabend verbrachten zu haben. Im Gästebuch des Fuggerhauses wird Janka in einer handgeschriebenen Geschichte aus dem Jahr 1965 letztmals als wohnhaft in Dillingen erwähnt. 1961 schien Christoff etwas längere Zeit auf Schloss Zeil in Reichenhofen, heute ein Ortsteil von Leutkirch, als Gast des Grafen von Waldburg-Zeil gewohnt zu haben. Janka von Vojkffy starb am 25. Februar 1968 in Dillingen a. d. Donau und wurde in Oberndorf im Familiengrab beerdigt.Christoff von Vojkffy segnete 1970 das Zeitliche und „fand seine letzte Ruhestätte im Friedhof zu Unterzeil. Mit ihm starb der letzte Spross seines Geschlechts. Einem alten Brauch entsprechend wurde sein Familienwappen zerbrochen und mit dem Sarg der Erde anvertraut.“
Kehren wir jetzt zur Ausgangsfrage zurück. Warum bekam der Weg in Tiefenbach Christoffs Namen? Wie oben schon erwähnt, zeigte er sich überaus archäologisch interessiert und deshalb forschte er auch auf unserem Gemeindegebiet systematisch nach steinzeitlichen Wohnplätzen. Dabei war er auch sehr erfolgreich. Gleich an mehreren Stellen, nämlich am Faulenbach, Wannenbichel, Schlattbichel, Schrattenwang, Plattenbichel, First, an der Schöllanger Burg und an der Ochsenwand fand er, was er suchte: 683 Steinwerkzeuge aus heimischen Radiolaritgestein, der auch unter dem Namen Breitachstein bekannt ist und als Schmuckstein verarbeitet wird. Gründlich und fleißig, wie er war, fertigte von den vielen Schmal- und Breitklingen, Kratzern und Sticheln Skizzen an. Die meisten der Originale kamen nach München in die Prähistorische Staatssammlung und gingen leider zum größten Teil durch einem Bombenangriff verloren. Nur noch ca. 60 zumeist Radiolarit-Objekte aus derGrabung Wasach-Ochsenberg (Jehlefelsen) sind dort heute noch vorhanden. Ein paar andere sind glücklicherweise ins Heimatmuseum von Oberstdorf gelangt und konnten dort bis 2012 besichtigt werden. Die von Christoff selbst und dann auch in der ersten Ausgabe der Geschichte des Marktes Oberstdorf aufgestellte Vermutung, dass diese Funde mesolithisch seien, also der Mittleren Steinzeitentstammten, kann nach heutigem Wissensstand bestätigt werden. Wir wissen jetzt auch, dass das Material für die Werkzeuge vor mehr als 7000 Jahren aus einer Lagerstätte am Bärenkopf im Kleinen Walsertal bergmännisch gewonnen wurde. Über seine Funde verfasste Christoff einen Artikel unter dem Titel „Steine sprechen“, der 1934 im „Oberstdorfer Gemeinde- und Fremdenblatt“ veröffentlicht wurde. Mit Kommentaren von Dr. Kurt Eberhard wurde dieser 1991 in der Zeitschrift „Unser Oberstdorf“ noch einmal aufgelegt.
Dieser Aufsatz beweist übrigens deutlich, dass er mit seinen Ansichten nicht ganz in seine Zeit passte. So erklärt er u.a., wie sich die mittelsteinzeitliche Urbevölkerung bis zu den einwandernden Alemannen erhalten konnte. Er bringt die Entstehung der Wildemännle- und Schrättlesagen damit in Verbindung. Die Schratten sind seiner Meinung nach ein keltisches Wort für die „kleine, fremdstämmige Urbevölkerung“. Das bekräftigt viele Jahre später indirekt auch Dr. Thaddäus Steiner, der bei der Erklärung des Namens Schrattenwang schreibt: „Es wird daher eher von Schratt (...) ‚Kobold’ auszugehen sein.’ Für dienationalsozialistische Zeit politisch korrekt, schrieb im Gegensatz Heinrich Bernhard Zirkel nur drei Jahre später, dass „die einwandernden Schwaben ...keine irgendwie bedeutende Reste von Fremdbevölkerung ... antrafen“. Dies ließe sich mit der arischen Rassentheorie nicht vereinbaren. Christoffs Thesen nahm dann nach dem Krieg Alfred Weitnauer wieder auf, der in seinen Büchern unser keltisches Erbe betonte.
Sehr ausführlich beschrieb Christoff in diesem Aufsatz auch eine etwas größere Ausgrabungskampagne, die er „am Faulenbach“, wie er es nannte, durchführte. Gemeint ist der Hügelrücken, der an der Breitachbrücke beginnt und sich über Jauchen zum Söllereck hinaufzieht. Dort legte er einen Siedlungsplatz frei, auf dem er anhand der Verteilung der Artefakte, d.h. der steinzeitlichen Funde sogar zwei primitive Hütten nachweisen konnte. An dieser Untersuchung nahmen zeitweise auch der Kreisheimatpfleger von Schwaben und Neuburg, B. Eberl, und der renommierte Archäologe Dr. Ferdinand Birkner, Direktor der bayerischen prähistorischen Staatssammlung, teil. Er schrieb hierüber eine Abhandlung in den „Bayerischen Vorgeschichts-Blätter“.
Für eine weitere Grabungskampagne an der anfangs erwähnten Ochsenwandhabe ich bisher keine zusätzlichen schriftlichen Aufzeichnungen gefunden. Laut mündlichem Bericht soll er, als er einmal zu etwas Geld kam, zwei Arbeiter angestellt haben. Sie gruben schubkarrenweise die Bruchstücke aus Radiolarit unterhalb des Überhangs an der Ochsenwand aus. Diesen „mittelsteinzeitlichen Abfall“ durchsuchte Christoff dann nach brauchbaren steinzeitlichen Gerätschaften. Der Graf Christoff von Vojkffy Weg führt heute von der Tiefenbacher Kirche genau zu diesen Grabungsplätzen unter dem Jehlefelsen am Ochsenberg.
War Graf Christoff von Vojkffy also ein Archäologe? Meine Recherchen konnten auf jeden Fall bestätigen, dass er in diesem Fachbereich überaus aktiv war. An all seinen Wohnorten war er archäologisch tätig und auch fündig, wie verschiedenste Erwähnungen und auch Aufsätze aus seiner Hand beweisen. So brachte er sich auch neben seinen Grabungen in unserem Raum engagiert in die Erforschung der Unteruhldinger Pfahlbauten ein und hatte anscheinend einen sehr guten Kontakt zum dortigen Grabungsleiter Dr. Reinerth. Nach dem Krieg schenkte und vermachte er dem „Forschungsinstitut für Vor- und Frühgeschichte am Bodensee“ nicht nur wertvolle Buchbestände sondern auch seine Sammlung von Fundstücken aus dem Paläolithikum und Mesolithikum, die er bei Schloss Zeil im Gebiet von Reichenhofen gemacht hatte.
Im Sommer 1935 rettete er durch eine Notgrabung, der Grabhügel drohte durch den Ackerbau total eingeebnet zu werden, ein hallstattliches Wagengrab bei Augsburg-Bergheim. Dass er dabei die wissenschaftlichen Grundsätze seiner Zeit beachtete, sei lobend hervorgehoben. Die Archäologin Hilke Henning verfasste 2009 darüber einen umfangreichen Artikel in einer Fachliteratur.
Bekannt ist auch, dass er 1936/37 bei der Erforschung der Weinberghöhlenbei Rennertshofen-Mauern im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen durch das SS-Ahnenerbe beteiligt war. Dabei kam es zu einem Zwist zwischen dem Grabungsleiter Professor R. R. Schmidt und dessen Stellvertreter und Nachfolger Dr. Böhmers, in den auch Christoff verwickelt wurde und der uns etwas Auskunft über seine politische Gesinnung gibt. In einem Brief des damaligen Heimatpflegers für den Gau Schwaben an den SS Obersturmführer Dr. Hoehne steht zu lesen: „Nun zu den politischen Bedenken, die ich geäussert habe. Die Gesellschaftskreise die hinter R. R. Schmidt stehen und ihn schieben sind unsere Adelskreise Fugger, Zeil, Öttingen-Wallerstein usw. Es ist klar, dass Professor Dr. R. R. Schmidt diesen Kreisen, die ihm in seiner misslichen Lage Unterkunft gegeben haben, einen Dienst erweisen will. Das wird ihm niemand verargen.Diese Kreise lehnen aber den nationalsozialistischen Staat und seine Arbeit von Grund auf ab. Ich weiß es aus persönlichen Erfahrungen mit dem Exponenten dieser Kreise Graf Vojkffy ...“ Ich will dieses Zitat nur soweit kommentieren, dass Christoff es im Gegensatz dazu trotzdem nicht lassen konnte, auch persönliche Briefe mit „Heil Hitler“ zu unterschreiben. Weit scheint es mit seiner Ablehnung der Nazis dann doch nicht her gewesen zu sein. Auf jeden Fall war Christoffs Rolle bei der oben genannten Auseinandersetzung nicht ganz klar. Laut einer brieflichen Mitteilung diffamierte er Schmidt, den er selbst ursprünglich für die Grabungen aussuchte, und nannte ihn „einen Schauspieler und Narren usw., mit dem man zwar nette religionsphilosophische Gespräche führen könne, der aber von Vorgeschichte nicht viel verstehe“. Nach dem Krieg hatte er dann jedoch eine ganz andere Meinung. In einem Brief an das Bayerische Landesdenkmalamt rühmte er Prof. R.R. Schmidt mir den Worten: „...bekanntlich ein hervorragender Prähistoriker und berühmter Altsteinzeitforscher“. Nach Schmidts Abberufung durfte er dann noch einen Monat länger, nämlich bis Dezember 1937, bei den Ausgrabungen dabei bleiben. Danach schien jedoch auch er in Ungnade gefallen zu sein. In dem oben genannten Brief schrieb er, dass Böhmers seinen SS-Arbeitern verbot mit ihm „zu sprechen und irgendwie zu verkehren“. Für ihn typisch ließ er Böhmers auf diese Diffamierung hin durch den Altherrenbund in München zum Duell fordern. Sein Widersacher reagierte jedoch nicht auf seine Forderung.
Kurz nach dem Krieg wurden die Grabungen in den Weinberghöhlen von Professor Dr. Lothar F. Zott in der Zusammenarbeit mit der Universität Erlangen wieder aufgenommen. Er nahm auch bald Christoff wieder ins Boot, über den er schrieb „ein begeisterter und unermüdlicher Helfer“. Nach seiner Aussage war es auch Christoff, welcher 1948 der Finder einer jungpaläolithischen Statuette gewesen ist, die von Christoff selbst die "Rote von Mauern" getauft wurde. Leider wird sie von der Wissenschaft als erstes und einziges bayerisches Exemplar dieser Fundgattung aber bislang kaum gewürdigt, da anscheinend Fälschungsverdacht vorliegen soll. Auf jeden Fall verfasste Christoff im Nachgang zu den Grabungen den einzigen Artikel in einem wissenschaftlichen Buch, den ich von ihm gefunden habe: „Geschichte der Erforschung der Weinberghöhlen“.
Graf Christoff von Vojkffy war also ein überaus erfolgreicherHobbyarchäologe, der sich auf Grund seines adeligen Ursprungs und der damit verbundenen Unterstützung auch bei einigen wissenschaftlichen Grabungen einbringen durfte. Für uns in Oberstdorf waren seine Forschungen auf jeden Fall überaus erkenntnisreich: Wir können uns sicher sein, dass die Besiedlung unserer Berge schon in der Mittelsteinzeit begann. Es ist eigentlich schade, dass unser Ort von den bayerischen Archäologen so vernachlässigt wird. Die Universität Innsbruck machte es im Kleinen Walsertal vor. Auch unser Raum birgt diesbezüglich sicher noch viele Überraschungen. Graf Vojkffy hat reichlich Hinweise für mehrere erfolgreiche Grabungskampagnen hinterlassen! Obwohl er meines Erachtens den geschichtsträchtigsten Hügel unseres Tales, die Hoffmannsruh, in seine Forschung noch gar nicht eingeschlossen hatte.
Mit einem Satz aus seinem Artikel „Steine sprechen“ möchte ich meine Ausführungen schließen: "Und wenn die Steine nun wirklich redeten, würden sie lächeln ..." Vielleicht würden sie uns dann auch noch erzählen, von was unser Graf Christoff von Vojkffy eigentlich lebte?
Anmerkungen:
Vielen Dank den Personen, die mir weiterführende Informationen zukommen ließen, das sind u.a. Rupert Gebhard, Hilke Henning, Roland Hiltensberger, Werner King, Daniel Meixner, Neva Mihalić, Marcellus Osmalz, Dr. Gunter Schöbel (Pfahlbaumuseum Unteruhldingen), Nicola Siegloch, Eugen Thomma, Peter Weiß und Christine Wontka.
Der Orignalaufsatz, der im Heft "Unser Oberstdorf" Nr. 53 (Dez. 2008) erschien, wurde inzwischen durch folgende neue Erkenntniss erweitert:
2012 informierte mich Frau Elisabeth Rauch über einen Brief Vojkffys, in dem er über sein Leben berichtete. Der Brief liegt mir jedoch nicht vor.
2014 erhielt ich von Frau Irene Grüner einen Teil seines Nachlasses mit vielen Bildern und Briefen der Familie Vojkffy für das Archiv des Heimatmuseums.
2016 erreichten mich zwei spannende Ausschnitte aus Fachbüchern, die mir Frau Hilke Henning, Archäologin aus Augsburg, zukommen ließ.
Der Aufsatz liegt auch als PDF-Datei vor, bei der die verwendete Literatur und auch die die Herkunft der Informationen durch Fußnoten dokumentiert wird: Graf Christoff von Vojkffy
Links
Chronik des Verschönerungsvereins (extern)