Stuzze Muzz muss heim!

Oberstdorf Tiefenbachs Schwefel- und Kneippbad (um 1950)
Tiefenbachs Schwefel- und Kneippbad (um 1950)
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Zu den Zeiten, in denen Tiefenbach noch nicht vereinödet war und noch aus den beiden geschlossenen Ortschaften „Dorf“ und „Winkel“ bestand, hausten noch auf dem nahenOchsenberge wilde Männle. Sie lebten von Kräutern, und die Gemsen waren ihre Geißen. Gegen die Leute waren sie gutgesinnt und zeigten sich ihnen gar oft dienstgefällig und behilflich. Im Frühjahr, wenn die Felder bestellt wurden, kamen sie oft vom Berge herab und pflügten während der Nacht die Äcker, und wenn dann morgens die Arbeiter Hand anlegen wollten, war schon alles gethan und fertig. Auch halfen sie oft den Holzern bei der Arbeit, hüteten die Viehherden und erwiesen den Bauersleuten sonst Liebesdienste.
Einmal erschien nun auch ein solches Männle auf der Felswand oberhalb des Wasachs und rief den Leuten herunten zu: "Saget der Stuzze Muzz, sie solle heimkommen, Sala Wenzel sei g'storben." Damals hat aber bei einem Bauern im Dorfe eine Magd dieses Namens, die aus dem Geschlecht der Wilden war, gedient. Stets war stets fleißig und rechtschaffen gewesen und ward von jedermann darum geschätzt und geachtet. Als man ihr nun dieser die Nachricht hinterbrachte, die das Männle aufgetragen hatte, verließ sie sogleich den Dienst und ging davon, und niemand hat später mehr etwas von ihr erfahren. Auch die Wilden Männle sind hernach auf dem Ochsenberg verschwunden, man weiß aber nicht warum.
aus Reiser: S. 141