Stiefel aus Drachenblut

Auf dem Falkenberg bei Tiefenbach wohnte einst besonders gutmütigern Drache. Er hatte sich nämlich vor tausenden von Jahren so vollgefressen, dass er überhaupt keinen Hunger mehr bekam. Egal welche Leckerbissen ihm vor der Nase herumspazierten, er war einfach zu faul sein grässliches Maul aufzureißen. Wie es sich für einen ordentlichen Drachen gehört, war wenigstens seine Erscheinung grässlich. Das störte die Hirten auf der Falkenbergalpe aber wenig, denn die waren allerlei gewöhnt. Nur an eine Sache, an die konnten sie sich nie gewöhnen: Wenn sich der Drache zum Sonnen um den Gipfel des Geißberges legte und einschlief, fing er sogleich so fürchterlich zu schnarchen an, so dass dabei die Sennhütten erzitterten.
Die Kühe und Geißen auf der Weide aber waren daran gewöhnt. Sie ruhten sich friedlich im Schatten seines Bauches aus und die wilden Tiere kletterten sogar auf seinem Rücken herum. Kein Mensch und kein Tier hatte mehr Angst vor ihm. Alle heilige Zeit einmal zog sich der Falkenberger Drache für ein paar Jahre zurück, um einen Gesundheitsschlaf zu halten. Da blieb er dann so lange, bis die Bäume anfingen, ihn einzuwachsen. Dann wachte er wieder auf und nahm zur Erfrischung ein Bad in einem nahen Bergsee. Dabei war er jedoch überaus vorsichtig, denn niemals lief der See über.
Ein einziges Mal ist er dann doch ein bisschen ungemütlich geworden. Ein fleißiger Holzer wollte einen Wurzelstock ausgraben und traf dabei den darunter liegenden Drachen unglücklich mit seiner Hacke. Das hat dem Drachen zwar nicht weh getan, aber er ist deshalb so erschrocken, dass er sich umdrehte. Es war ihm jedoch ziemlich egal, dass er dabei einen halben Wald niederwalzte. Friedlich schlief er sofort darauf wieder ein. So merkte er auch nicht, dass er ein wenig blutete. Auch der Holzer sah es zu spät und trat mit seinen bloßen Füßen in die Blutlache. Zuerst brannten sie wie Feuer. Doch als das Blut trocknete, wurde es hart, blieb aber geschmeidig wie Leder. Unser Holzer hat diese Stiefel aus Drachenblut bis an sein Lebensende getragen und soll sie sogar mit ins Grab genommen haben. Mit diesem Mann hat seitdem keine kein Schuster mehr ein Geschäft machen können.
(nacherzählt von A. Rößle)