Der Steinbock - der Heimkehrer

Steinböcke an der Mindelheimer Hütte
Steinböcke an der Mindelheimer Hütte
Böhringer

Schon in den Jagd- und Fischereibüchern Kaiser Maximilians I. (1459 - 1519) wird von der Jagd nach dem Steinbock in unseren Bergen (Gutenalp) berichtet. Das Steinwild mit dem wissenschaftlichen Namen „Capra ibex“  war damals noch im ganzen Alpenraum verbreitet. Jedoch vernichtete die "Volksmedizin" den Bestand der Tiere beträchtlich. Laut dem Zedler'schen Lexikon, dem führenden naturwissenschaftlichen Lexikon des 18. Jahrhunderts, war der Steinbock eine wandelnde Apotheke (siehe unten). Zuletzt verschwanden im frühen 19. Jahrhundert die letzten Steinböcke auch im Berner Oberland und Wallis. Im Buch "Allgäuer Alpen" von Max Förderreuther findet der Steinbock 1907 auch bei den ausgestorbenen Tieren (Bär, Wolf, Luchs) keine Erwähnung mehr.

Nur im Grand Paradiso hatten etwa 100 Tiere dieser Ziegnart überlebt. Der Förster Josef Zumstein und der Naturkundler Albert Girtanner schafften es 1816, dass die Behörden die letzten Steinböcke unter strengen Schutz stellten. König Viktor Emanuel II. von Piemont-Sardinien machte die Rettung dieser Tiere 1854 zu seiner persönlichen Sache und die Vermehrung des Steinwildes setze langsam wieder ein.

Als 1906 ein paar Steinböcke nicht ganz legal über die "grüne Grenze" in die Schweiz gebracht wurden, begann die Nachzucht auch dort. Diese war sehr erfolgreich und in der Zwischenzeit leben wieder im gesamten Alpenraum Steinböcke. Alle haben ihre Vorfahren im Grand Paradiso und der größte Teil stammt von den geschmuggelten Schweizer Steinböcken ab.

1964 wurden die ersten Steinböcke im Kleinen Walsertal, Mittelberg führt den Steinbock in seinem Wappen, ausgesetzt. Da bis auf den Steinadler bei uns seine meisten natürlich Feinde Geier, Bär, Luchs und Wolf auch schon länger ausgerottet wurden, erholte sich der Bestand schnell und verbreitete sich auch im angrenzenden Rappenalptal. Dieses gehörte früher zum sogenannten Prinzregentenbogen, dem Jagdgebiet des Prinzregenten Luitpold, und dort hatte in den 90er Jahren Sepp Högerle sein Revier. 1995 bekam er die außerordentliche Genehmigung einen Steinbock zu schießen, was dann am 3.8. im Madertal nahe der Mindelheimer Hütte auch geschah. Nach über 400 Jahren wurde wieder ein Steinbock in den Allgäuer Alpen erlegt und dessen Hörner sind jetzt, dank Sepp Högerles, im Heimatmuseum Oberstdorf ausgestellt.

Da die Steinböcke nicht besonders scheu sind, kann man sie bei Bergtouren über die Schafalpenköpfe und den Allgäuer Hauptkamm verhältnismäßig häufig antreffen und beobachten. Mit einer Länge von ca. 150 cm einer  Höhe ca. 90 cm und einem Gewicht von über 100 kg sind sie die größten Tiere im hochalpinen Gelände. Im Gegensatz zum Weibchen, das kleinere, kaum gebogene Hörner besitzt, wird das imposante, gebogene Gehörn bis zu 1 m lang.

Auszug aus dem Zedler'schen Lexikon

Wahr dagegen ist, daß der Steinbock, auch bei uns im Allgäu, früher recht oft verfolgt wurde, stand er doch in dem Ruf, sonderbare Fähigkeiten zu besitzen. Schon immer umgab das majestätische und menschenscheue Tier eine Aura des Geheimnisvollen. Schließlich hält sich der Alpensteinbock in Höhen über 2000 Meter auf, also in Höhen, in die sich, als Alpinismus noch ein Fremdwort war, kaum ein Mensch vorgewagt hat. Der Steinbock war etwas Besonderes und damit etwas von vornherein magisch Verdächtiges.

Schnell fand das edle Tier einen festen Platz in den geheimen Wissenschaften und Künsten, aber auch in der magischen Volksmedizin. Die sagenhaften Selbstheilungskräfte des Steinbocks sollten auch dem Menschen zugutekommen. Dem Steinbock bekam das wiederum weniger gut. Bis ins 19. Jahrhundert hinein, und mancherorts noch länger, stand der Steinbock im "magischen Ausverkauf". Dreizehn Teilen vom Steinbock sprach man wundersame Wirkungen zu, im besonderen Horn und Haarkleid, Blut, Milz und Gedärm. Regelrecht wundertätig sollten die Kugeln sein, die sich aus abgeleckten Haaren im Magen des Steinbocks bilden.

Das Fleisch, mit Kräutern und Kamillen gebrüht, nahm man bei "unterschiedlichen Schwachheiten des Leibes" ein, das Blut bei Durchfall. Haarkleid und Knochenmark stillten als Pflaster und Salbe stark blutende Wunden.

Der beliebteste magische Artikel vom Steinbock war natürlich das Horn. Als Talisman getragen - so sagte man - schütze es vor Hexereien. Auch zu Trinkgeschirr wurden die bis zu ein Meter langen Hörner umfunktioniert. Hirten wie feine Herrschaften tranken daraus gegen die Fallsucht. Geschabt und in Milch gekocht linderte das Horn angeblich Koliken und andere Schmerzzustände.

Zum wahren Allerheilmittel wurde das pulverisierte Horn propagiert. Täglich eine Messerspitze davon auf' s Brot gegeben und mit Wein eingenommen, sollte bei Schwindel helfen, ebenso bei Tierbissen und Vergiftungen. Etwas ganz Feines muß auch der Rauch von verbranntem Horn und Haar gewesen sein, unter anderem Erste Hilfe bei den sogenannten apoplektischen Zufällen.

Die Haare des Steinbocks - über glühenden Kohlen geräuchert und in einem Tüchle um den Kopf gebunden - wirkten dagegen "wider alle böse Lust."

Steinbock in den Bergen
Steinbock in den Bergen
Fotalia
Steinböcke an der Mindelheimer Hütte
Steinböcke an der Mindelheimer Hütte
Böhringer
Der erste geschossene Steinbock in Oberstdorf (Heimatmuseum Oberstdorf)
Der erste geschossene Steinbock in Oberstdorf (Heimatmuseum Oberstdorf)
AR