Steinadler - der König der Lüfte
Früher besiedelte der größte deutsche Greifvogel beinahe die ganze nördliche Halbkugel. Durch intensive Verfolgung ging sein Bestand jedoch so stark zurück, dass er sich in Deutschland nur noch in den Alpen halten konnte. In den 60er-Jahren gab es in den bayrischen Alpen nur noch etwa 15 Brutpaare. Doch in den 70er-Jahren begannen die Schutzmaßnahmen zu greifen und bis 1999 wurden wieder ca. 50 Brutpaare gezählt.
Seinen Horst baut der Adler gerne in unzugängliche Felswände unter Überhängen, die jedoch oft recht talnah liegen (z.B. im Oytal und in Rohrmoos). Dabei werden sie ständig erweitert und können dadurch recht respektabel werden. Im Februar legt das Weibchen zwei Eier, die nach ca. 45 Tagen ausgebrütet sind.
Mit wissenschaftlichem Name heißt der Steinadler, der bis zu 20 Jahre alte wird, „Aquila chrysaetos“. Das Weibchen kann bis einem Meter groß werden und bei einem Gewicht von beinahe 7 kg eine Flügelspannweite von 2,30 m erreichen. Im Flug ist er einerseits schon wegen seiner Größe und auch wegen der starken Fingerung der Handschwingen und dem langen und nur leicht gerundeter Schwanz recht gut zu erkennen.
Der Steinadler jagt entweder im bodennahen Flug oder von einem Ansitz aus. Die Beute, die höchstens etwa 15 kg beträgt, tötet er mit seinen kräftigen Krallen. Da er kein Gewicht tragen kann, das sein eigenes Körpergewicht übertrifft, werden schwerere Beutetiere in einzelnen Portionen über mehrere Tage hinweg abtransportiert. Meistens schlägt er kleine bis mittelgroße Säugetiere. Aus der Schweiz wissen wir, dass dort Murmeltiere seine Hauptnahrungsquelle bilden. Dies dürfte für unser Gebiet auch zutreffen. Dabei passen kleinere Gäms- und Steinbockkitze auch noch in sein Beutespektrum. Dies trifft leider ebenso für Ziegen- und Schafskitze zu. Dies war wohl der Hauptgrund dafür, dass der Steinadler so einen schlechten Ruf besaß und erbarmungslos bejagt wurde.
Förderreuther berichtet sogar davon, dass ein Adler 1886 bei der Melköde am Ifen ein dreijähriges Mädchen mit sich nahm, was jedoch aufgrund der wissenschaftlich festgestellten Tatsachen (siehe oben) unmöglich war. Auf jeden Fall waren im 19. Jahrhundert Adlerjäger hochangesehene Menschen. Der Oberstdorfer Leo Dorn (geb. 1839), der als Oberjäger des Prinzregenten Luitpold in Hindelang angestellt war, rühmte sich 78 Adler geschossen zu haben. Das brachte ihm den Titel "Adlerkönig" ein. Sein Gegenspieler Max Speiser, der Oberjäger des Barons von Heyl in Gerstruben war, brachte es immerhin auf 59 Abschüsse. Dass den beiden dabei nicht nur die Ziegen- und Schafskitze am Herzen lagen, mag hier nur angedeutet werden, denn bis zu 100 Mark sollen sie beim der Verkauf der Federn und Fänge erhalten haben. Die Federn, insbesondere die bis zu 60 cm langen Handschwingen waren als Hutschmuck und auch als Schreibfeder überaus begehrt.
Das Ausnehmen eines Adlerhorstes wurde ehemals wie ein Volksfest gefeiert. Dr. Groß berichtet von einem Adlerfang 1851 an der Adlerwand im Oytal. Über 2000 Zuschauer waren anwesend und die Blaskapelle spielte auf, als der Horst von Wagemutigen, die sich an langen Tauen von oben herabließen, geplündert wurde. Bei einem weiteren Bericht von einem Adlerfang in Rohrmoos 1854, macht sich Dr. Groß über die Tiroler lustig. Er nannte es eine "Fabel", dass die alten Adler die Adlerdiebe angreifen würden, um ihren Nachwuchs zu verteidigen. Der Adler sei im Gegensatz "scheu und feig".
Wenige Jahre später war der Graf Arco-Zinneberg selbst beim Adlerfang an der Rothen Wand im Rohrmoos beteiligt (siehe Bild rechts) und schrieb darüber einen langen Artikel. Deshalb bekam er den Titel "Adlergraf" und wurde Vorbild für die Hauptfigur in Ganghofers "Schloss Hubertus" . Die Jagd auf den Adler begründete Dr. Groß u.a. mit dem Hinweis, dass der Besitzer der Rohrmooser Alpe "einmal zwei Sommer nacheinander sämmtliche frischgefallene Lämmer und Kitzen" an den Adler verlor.
Um die Jahrhundertwende scheint sich jedoch die Stimmung zu wenden. Ich könnte mir vorstellen, dass der starke Rückgang der Adlerpopulation zu denken Anlass gab. Auf jeden Fall änderte Förderreuther schon in seiner 3. Auflage seines Buches "Die Allgäuer Alpen" von 1929 seine bisher adlerfeindliche Haltung, indem er schrieb, dass der Prinzregent um 1912 befahl "weiteren Abschuß einzustellen". 1925 wurde der Steinadler in Bayern gesetzlich unter Schutz gestellt. Gerade noch rechtzeitig wurden die Steinadler bei uns gerettet und heute kann man ihn wieder häufiger über Oberstdorf kreisen sehen.