Vom Skispringen zum Skifliegen in Oberstdorf

Schattenbergschanze - Springen 1960
Schattenbergschanze - Springen 1960
Anderl Rößle

Joram, joram, was isch dees?
"Joram! Joram! Was isch dees?"
Hot doamols gseit khet - Höüg’s Theres;
als Fronz noh gweah a kleina Büe,
und gjuckt ischt - uf dr Hofmannsrüeh.
Zwuinzg Metr - und a etle meah,
sind doamols sine Wita gweah.

So beginnt ein Mundartgedicht des Oberstdorfers Hans Seeweg, in dem er von den Anfängen des Skispringens in unserem Ort berichtet. Eine Übersetzung finden Sie übrigens am Ende dieser Seite.
Damals in den 20ger Jahren entwickelte sich langsam das Dorado des Skisprungs in Deutschland. Ich kenne keine Gemeinde, die mehr Schanzen hat. Kaum eine Wintersportveranstaltung zieht heute ähnlich viele Besucher an wie das Auftaktspringen der Vierschanzentournee auf der großen Schattenbergschanze, die jedes Jahr Ende Januar stattfindet. Weitere Großveranstaltungen finden in regelmäßigen Abständen statt, wenn sich die weltbesten Skiflieger auf der Heini-Klopfer-Skiflugschanze im Birgsautal treffen.

Skispringen

Schon im Jahre 1909 errichteten die rührigen Vereinsgründer des SC Oberstdorfs eine große und eine kleine Schanze an der Halde. 22,5 Meter hieß die erste Rekordmarke im Jahre 1910. Nach dem 1. Weltkrieg führte der Norweger Rivrud unter großem Gelächter der Zuschauer einen völlig unbekannten Flugstil vor: Er lag nämlich stark abgeknickt mit waghalsiger Vorlage in der Luft. Das "Rudern" der Arme wurde beibehalten.

1925 wurde die erste Schanze im Schattenbergskistadion errichtet. Den ersten Sprung auf der neuen Schanze, die damals noch Sprunghügel am Faltenbach" hieß, machte Franz Thannheimer. Er konnte jedoch die Weite von 43 m noch nicht stehen. Schon das Eröffnungsspringen hatte unter Schneemangel zu leiden und ein Jahr später wurde ein Schauspringen der Olympiamannschaft deswegen abgesagt. Dies zeigt, dass Schneemangel in Oberstdorf nicht nur ein Problem der heutigen Zeit ist, wie uns viele weis machen wollen. Der Schanzenrekord kletterte von 34 m (1925), über 47 m (Franz Thannheimer 1927) bis auf 68 m (1941).

Nach mehreren größeren Umbauten nach dem Krieg entwickelte sich aus der einzelnen Schattenbergschanze das heutige Stadion mit 5 Schanzen.

Das Oberstdorfer Springertrio

Sepp Weiler und Heini Klopfer waren in den 40ger Jahren die bekanntesten Oberstdorfer Springer.Unter großen Mühen wurde gleich nach dem 2. Weltkrieg mit dem Bau einer neuen Schattenbergschanze begonnen, auf der Heini Klopfer 1946 mit 71 m einen neuen Rekord aufstellte. Zu den beiden oben genannten Springern gesellte sich jetzt auch noch Toni Brutscher, das berühmte Oberstdorfer Springertrio war geboren. Zu Beginn der 50ger Jahre stellte sich auch wieder der Sprungstil um. Der sogenannte Fischstil mit vorgestreckten Armen setzte sich durch. Das Jahr 1952 war das Geburtsjahr der Vierschanzentournee, die seit 1953 immer im gleichen Rhythmus stattfindet.

Der Traum vom Fliegen

Nachdem in Planica schon eine Flugschanze bestand und einige andere Orte sich mit dem Gedanken trugen eine zu bauen, wurde auf Initiative des oben genannten Springertrios 1949/50 die Oberstdorfer Skiflugschanze als eine riesige Holzkonstruktion erstellt. Am 2. Februar 1950 war es dann so weit: Vor nur wenigen Zuschauern legt Heini Klopfer die erste Spur in den Anlauf. Bei der ersten Internationalen Skiflugwoche 1950, die von rund 100000 Zuschauern besucht wurde, stellte Dan Netzel mit 135 m einen neuen Weltrekord auf. Der Schweizer Andreas Däscher kreierte damals schon den neuen Stil: Er hielt die Arme eng an den Hüften und steuerte nur mit den Händen.
In den folgenden Jahren wechselten sich die Orte Kulm, Planica und Oberstdorf mit den Flugwochen und auch den Weltrekorden ab. 1955 tauchte neben dem altbewährten Trio ein neuer Name auf: Max Bolkart.
Im Jahre 1972 entstand dann die heutige Anlage aus Stahlbeton. Für bequeme Besucher gibt es einen Sessellift und einen Aufzug im Inneren des Turmes als Aufstiegshilfe. Von hier oben hat man einen herrlichen Blick auf den Freibergsee und das umliegende Stillachtal. Leichte Wanderwege führen um den idyllisch gelegenen Freibergsee herum. 

Für die Weltmeisterschaft im Skifliegen 1998 wurde die Schanze extra umgebaut, um sie den Erfordernissen des V-Stils anzupassen. Sie lässt damit sichere Flüge über 200 m zu! Im Jahr 2016 wurde die Anlage nochmals im großen Maße umgebaut, um sie für die kommende Skiflugweltmeisterschaft 2018 fit zu machen.

Wenn Sie mehr über die Geschichte des Skispringens erfahren wollen, empfehle ich Ihnen den Besuch des Heimatmuseums in der Oststraße, in dem Sie einen eigenen Raum zu diesem Thema finden.

Übersetzung des Gedichtes:

Anmerkung: nahe am Text
"Joram (Ausruf der Überraschung)! Joram! Was ist das?"
hat damals gesagt gehabt - Haugs Theresia;
als Franz noch ein kleiner Junge gewesen ist,
und gesprungen ist - auf der Hofmannsruhe.
Zwanzig Meter - und viele mehr,
sind damals seine Weiten gewesen.

Bruno Bihler bei einem Skispringen im Jahr 1910 an der Haldenschanue
Bruno Bihler bei einem Skispringen im Jahr 1910 an der Haldenschanue
Archiv Heimatmuseum Oberstdorf
Skispringen an der Schattenbergschanze (?) im Jahr 1920
Skispringen an der Schattenbergschanze (?) im Jahr 1920
Archiv Heimatmuseum Oberstdorf
Umbau der Schanze für die deutschen Meisterschaften 1930
Umbau der Schanze für die deutschen Meisterschaften 1930
Archiv Heimatmuseum Oberstdorf
Schattenbergschanze - Schanzenturm 1956
Schattenbergschanze - Schanzenturm 1956
Anderl Rößle
Schattenbergschanze - Arena 1999
Schattenbergschanze - Arena 1999
AR
Die alte Holzschanze um 1950
Die alte Holzschanze um 1950
Archiv Heimatmuseum Oberstdorf
Skifliegen 1961
Skifliegen 1961
Rolf Böck
Skifliegen 1967
Skifliegen 1967
Rolf Böck
Der Schanzenturm 2007
Der Schanzenturm 2007
AR