Der Schriftsteller Winfried G. Sebald (1944-2001)

Gymnasium Oberstdorf 1961
Andreas Rößle

Schriftsteller und Schüler am Gymnasium Oberstdorf

"W.G. Sebald, the profoundly elegiac and distinctive author of 'Austerlitz' and other novels and one of the most acclaimed of contemporary writers, was killed yesterday in an automobile accident in Norfolk, England, near his home in Norwich in East Anglia. He was 57", meldet die New York Times in ihrer online-Ausgabe vom 15.12.2001.
Die New York Times hatte Sebald noch am 11. Dezember dem amerikanischen Publikum in einem Porträt vorgestellt. Sebald war in den angelsächsischen Ländern der vielleicht bekannteste deutsche Autor. Die Übersetzung seines letzten Romans "Austerlitz" ist vor Wochen allenthalben besprochen worden. Die New York Times wählte den Roman zu einem der besten Bücher des Jahres. Auch der Guardian hatte beim Erscheinen von "Austerlitz" ein langes Porträt über Sebald gebracht, wo sich Sebald auch kurz über die Anschläge vom 11. September äußerte. Andere große Besprechungen des Buchs und Porträts finden wir etwa in The New Republic und bei El Pais.

Auch die deutsche Presse betrachtete "Austerlitz" im letzten Frühjahr als eines der wichtigsten Bücher des Jahres. Ein Buch der "tausendundeinen Offenbarung" nannte Thomas Steinfeld diesen Roman über eine jüdische Kindheit in der FAZ.

Wie kommt dieser gefeierte Schriftsteller auf die Seiten unseres Online-Führers?
Ganz einfach; der in Wertach/Allgäu 1944 geborene Sebald, besuchte nämlich ab 1954 die Oberreallschule in Oberstdorf und machte dort auch im Jahre 1963 sein Abitur. Wie es sich für einen zukünftigen Schriftsteller gehört, schrieb er seinen Abituraufsatz in der halben Zeit und bekam dafür natürlich eine "Eins". Mit dem Zug fuhr er täglich von Sonthofen, wohin seine Familie 1948 gezogen war, nach Oberstdorf zur Schule. In der Schule lernte er übrigens auch den künftigen Maler Jan Peter Tripp aus Tiefenbach kennen, mit dem ihn eine lebenslange Künstler-Freundschaft verband. Nach zwei Jahre Studium der Literaturwissenschaft in Freiburg; erwarb er 1966 in der französischsprachigen Schweiz eine Licence in Literaturwissenschaft. Weitere Stadien seiner Karriere waren: Universität Manchester, St. Gallen und East Anglia University in Norwich.
Neben seiner Universitätslaufbahn entstand seit Ende der 80er Jahre sein literarisches Werk. Dies hat in den letzten beiden Jahren vor allem in Großbritannien, den USA und Frankreich hohe Aufmerksamkeit gefunden. Dort wurde sein Name zuletzt sogar zusammen mit dem Wort Nobelpreis genannt, und auch hierzulande wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis er den Büchnerpreis bekommen hätte.

Zu seinen wichtigsten Büchern zählen: Schwindel.Gefühle (1990), Die Ausgewanderten (1992), Die Ringe des Saturn (1995) und Luftkrieg und Literatur (Hanser, 1999).

Meine privaten Gedanken zu seinen Büchern:

Schwindel.Gefühle
Dieses Buch ist nichts für Leser, die sich mit einfachen Texten unterhalten lassen wollen. Sätze ohne mehrere Gliedsätze und Einschübe sind eigentlich eher die Seltenheit. An diesem Buch ist für Allgäuer besonders das letzte Drittel der Erzählung interessant, da es in Wertach spielt. Sebald beschreibt darin seine Kindheit in dem Oberallgäuer Ort und bietet aufschlussreiche Details aus der Nachkriegszeit! Empfehlenswert!

Die Ausgewanderten, Vier lange Erzählungen
Im Gegensatz zu Schwindel.Gefühle ist dieses Buch sehr viel leichter zu lesen. Es sind (authentische - fiktive?) Lebensberichte von vier Personen, denen Sebald in seinem Leben begegnet ist (sein könnte) und mit denen er sich intensiv beschäftigte. Obwohl ich mich kaum für eine bestimmte Lieblingsgeschichte entscheiden kann, möchte ich trotzdem die von Paul Bereyter herausgreifen. Dieser Mann war (vielleicht) Sebalds Grundschullehrer in Sonthofen. Er hieß in Wirklichkeit Armin Müller und durfte als Jude in der NS-Zeit nicht unterrichten. Ausgehend von dessem eigenartigen Benehmen erschließt der Autor feinfühlig seine Gefühl- und Gedankenwelt und damit die Gründe für sein tragisches Schicksal. Die Sonthofer Bevölkerung, hier stellverterend für die gesamte Deutschlands, kommt dabei bezüglich seines Verhaltens im Dritten Reich nicht sehr gut weg. Besonders empfehlenswert!

PS: Am 22.08.2002 fand ich in der Google-Suchmaschine unter dem Namen W.G. Sebald 7780 Treffer!


Fischer Taschenbuchverlag

Fischer Taschenbuchverlag