Die Römer im oberen Allgäu

gefangene Kelten am Trophaeum Alpium
gefangene Kelten am Trophaeum Alpium
AR

Seit Caesar im Jahr 51 v. Chr. das römische Reich an der Atlantikseite weit nach Norden und bis an den Rhein verschoben hatte, blieben die Alpen das letzte Bollwerk, das die keltischen und germanischen Barbaren im Norden vom Zentrum des Reiches abhielt. Kaiser Augustus war jedoch diesbezüglich skeptisch und entschied vor den Alpen eine Pufferzone einzurichten. Hierzu schickte er seine beiden Neffen Drusus und Tiberius im Jahr 15 v. Chr. mit zwei Heeren los, um in einer Art Zangenbewegung diese Gebiete zu erobern. Tiberius, der spätere Kaiser, eroberte über das Rhonetal kommend zuerst das Gebiet der Raeter, die in den Alpen lebten und deren Siedlungsgebiet teils auch bis zu uns reichte. Danach traf er am Bodensee auf die Briganter, einem Teilstamm der keltischen Vindeliker, die er dort in einer Seeschlacht besiegt haben soll. Kurze Zeit später errichtete er bei Kempten ein Militärlager. Hier sollen die Estionen eine Niederlassung besessen haben, die aber archaeologisch noch nicht nachgewiesen wurde. Aus diesem Lager entstand einige Jahre später die römische Stadt Cambodunum. Das neu eroberte Gebiet taufte man Raetia, als Verwaltungssitz baute man Augusta Vindelikorum aus und band das neueroberte Gebiet in das römische Straßennetz (z.B. Via Claudia) ein. Bei Menton nahe Monaco stehen übrigens noch heute die Reste des Trophaeum Alpiums, einem riesigen Monument, in dem diese Eroberung der Alpen gefeiert wurde.
Aber was passierte mit der besiegten Bevölkerung? Da das römische Reich seine Wirtschaftsstruktur über Sklavenarbeit aufrecht erhielt, wurden natürlich sehr viel, insbesondere jüngere, versklavt. Junge Männer wurden außerdem häufig in die Hilfstruppen (Auxiliares) des römischen Heeres zwangsrekrutiert und weit weg vom Heimatland eingesetzt. Da das neu besetzte Gebiet natürlich nicht nur strategische Bedeutung besaß und künftig auch wirtschaftlich prosperieren sollte, blieben wohl die meisten Kelten als Arbeitskräfte für die römischen Manufakturen und Gutshöfe zurück. Im Laufe der langen Besatzungszeit, die Römer blieben ja weit über 300 Jahre, passten sie sich der Lebensweise ihrer Herren an und sprachen ihre Sprache. Doch die wenigsten werden echte römische Bürger geworden sein. Die Keltoromanen, wie man sie jetzt nennen könnte, blieben die unterste Arbeiterschicht. 
Rund um die kleine Stadt Camboduum entstanden in der Folge mehrere Gutshöfe, die Villa Rustica genannt wurden und häufig pensionierten Legionären als Abfindung gegeben wurden. Man kann davon ausgehen, dass wenigstens die südlich von Kempten lebenden Gutsbesitzer im Sommer die Möglichkeit nutzten, ein Teil des Viehs auf die baumfreien Matten der Allgäuer Alpen zu treiben. Hirten waren wiederum die eingesessenen und bergerfahrenen Keltoromanen. Wie auch in der heutigen Zeit üblich vollzog sich der Alpauftrieb in Schritten, weshalb im Tal, bzw. an den Talrändern schon früh Gehöfte für die Vor- und Nachweiden eingerichtet wurden. Leider hat sich diesbezüglich bei uns archäologisch nichts erhalten, da Erosion unsere Gebirgslandschaft auch heute noch umgestaltet. Auf der Seealpe, die sicher eine der ersten erschlossen Alpen unseres Raumes war, da sie über die Hangschulter unter den Sonnenköpfen doch verhältnismäßig leicht von der uralten Niederlassung "Altstädten" kommend erreichbar war, wurde eine römische Kuhglocke gefunden. Als wissenschaftlich, archäologischer Beweis kann sie jedoch leider nicht dienen. Auf jeden Fall kannten die Keltoromanen schon die heutigen Techniken des Abschöpfens des Rahms bei der Käseherstellung. Der Name der Alpe Käser (Casaria) geht eventuell auf diese alten Hirten zurück.
Zu Beginn des 3. Jahrhunderts werden die Zeiten jedoch kriegerischer und unruhiger. Überfälle der Alemmannen häufen sich und die römische Ober- und Mittelschicht wandert ab. Bis in wenigen Gebieten ziehen sich auch die Keltoromanen, wenn sie nicht schon mit ihren Dienstherren weggezogen waren, in die Alpentäler zurück. Gegen Ende dieser Entwicklung war nur noch das Gebiet östlich der Iller unter römischem, bzw. später westgotischem Einfluss. 506 öffnete Theoderich der Große auch diese Grenze für die Alemannen, die dieses Mal aber nicht als Eroberer sondern als geschlagene Flüchtlinge ins Land kamen. In einer Ethnogenese vermischten sich die wenigen verbliebenen Keltoromanen mit den Einwandereren. Ihre Sprache und Lebensweise ging zum größten Teil verloren nur in den Fluss-, Städte- und auch Flurnamen und auch im Dialekt blieben Erinnerungsfetzen erhalten. Lech, Iller, Kempten, Käseralpe, Gumpen, Gund, Glufe, Galosche usw. werden hier als Nachweis von Dr. Alfred Weitnauer angeführt.

Trophaeum Alpium bei Menton: Siegerdenkmal des Kaiser Augustus für seine Siege über die Alpenvölker
Trophaeum Alpium bei Menton: Siegerdenkmal des Kaiser Augustus für seine Siege über die Alpenvölker
AR
Römische Kuhglocke, gefunden im Gebiet der Seealpe (Heimatmuseum Oberstdorf)
Römische Kuhglocke, gefunden im Gebiet der Seealpe (Heimatmuseum Oberstdorf)
AR
Eine römische Münze (As) aus der Zeit des Tiberius, gefunden in der Fuggerstraße (Heimatmuseum Oberstdorf)
Eine römische Münze (As) aus der Zeit des Tiberius, gefunden in der Fuggerstraße (Heimatmuseum Oberstdorf)
AR
Die römische Provinz Rätia um 150 n. Chr.
Die römische Provinz Rätia um 150 n. Chr.
wikipedia, Marco Zanoli (https://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Sidonius)
Die römische Provinz Rätia um 395 n. Chr.
Die römische Provinz Rätia um 395 n. Chr.
wikipedia, Marco Zanoli (https://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Sidonius)