Willy Seidel

Willy Seidel wird am 15. Januar 1887 als Sohn der Emmy Seidel, geb. Loesevitz (1861-1945), und des Dr. med. Hermann Seidel (1855-1895), Leiter der Chirurgischen Abteilung des Herzoglichen Krankenhauses zu Braunschweig, in Braunschweig geboren. Aus der Ehe seiner Eltern sind zunächst zwei Söhne hervorgegangen, die jedoch 1885 beide an Diphtherie sterben. Im selben Jahr wird Willys ältere Schwester geboren, die Schriftstellerin Ina (eigentlich Johanna Mathilde, 1885-1974), am 28. November 1894 seine jüngere Schwester Mirl (eigentlich Annemarie, 1894-1959), Schauspielerin und Lektorin. Infolge seiner „aufreibenden Thätigkeit“, „unangenehmer Zerwürfnisse mit Kollegen“ und gegen ihn gerichteter „bösartiger Intrigen“ nimmt sich Dr. Seidel im Alter von 40 Jahren am 8. November 1895 mittels einer Überdosis Morphium das Leben.

Nach dem Tod des Vaters zieht die Familie 1896 erst nach Marburg, dann 1897 nach München. Dort besucht Willy Seidel das humanistische Maximiliansgymnasium. Nach dem Abitur studiert er an den Universitäten in Freiburg/Breisgau, Jena, Marburg und München Biologie und Zoologie, wechselt jedoch nach fünf Semestern zur Germanistik und wird 1911 in München mit einer Arbeit über Theodor Storm zum Doktor der Philosophie promoviert.

Schon während des Studiums publiziert Seidel belletristische Texte mit einer Vorliebe für exotische Themen. Dank der Unterstützung durch Anton Kippenberg, dem Leiter des Insel Verlags Leipzig, kann er nach Ägypten reisen. Die dort gewonnenen Eindrücke finden ihren literarischen Ausdruck im Roman Der Sang der Sakîje (1914). Noch im selben Jahr reist Willy Seidel in staatlichem Auftrag in den Pazifik, um Material für literarische Kolonialpropaganda zu sammeln.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs hält sich Seidel in der deutschen Kolonie Samoa auf und entgeht der Gefangennahme durch britische Truppen, indem er auf einem amerikanischen Schiff in die USA entkommen kann. Dort lebt er auf Grund schwerwiegender gesundheitlicher Probleme und wegen der Unmöglichkeit, seine Texte zu publizieren, in großer materieller Not. Im Juni 1915 heiratet er in New York eine britische Staatsbürgerin. Erst 1919 kann Seidel nach Deutschland zurückkehren. Seine Ehe, aus der zwei Kinder hervorgehen, ist damals bereits zerrüttet und wird 1923 geschieden.

Im Mai 1921 hält sich Willy Seidel zur Kur im Sanatorium Stillachhaus in Oberstdorf auf.

1924 heiratet er zum zweiten Mal. Er befasst sich zu dieser Zeit intensiv mit okkultem Gedankengut, demgegenüber er aber eine gewisse Distanz bewahrt. 1925 ermöglicht ihm der Ullstein Verlag eine Studienreise nach Java. 1929 wird Seidel der Dichterpreis der Stadt München verliehen. Mit dem gesundheitlichen Zusammenbruch im Jahre 1931 endet sein literarisches Schaffen.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 ist Willy Seidel einer der 88 Schriftsteller, die im Oktober desselben Jahres das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichnen. Er stirbt am 29. Dezember 1934 nach einem unfallbedingten längeren Krankenhausaufenthalt in München an einem Herzanfall.

In seinen frühen Arbeiten schildert er – dem Zeitgeist entsprechend – ferne Länder; allerdings übt er bald am Kolonialismus Kritik. In den 1920er Jahren schreibt er vorwiegend Romane und Erzählungen, die der phantastischen Literatur zuzurechnen sind und derentwegen dem weitgehend in Vergessenheit geratenen Autor auch heute noch einiges Interesse entgegengebracht wird. Seidel verfasst auch satirische und humoristische Werke.

Er stirbt am 29. Dezember 1934 in München und wird auf dem Nordfriedhof begraben.