Luise Rinser
Luise Rinser wird am 30. April 1911 als Tochter des Oberlehrers Josef Rinser und der Aloisia, geb. Sailer, in Pitzling (heute Stadtteil von Landsberg/Lech) geboren und wächst dort, später dann in Etting, Übersee und Huglfing auf. Ihr Elternhaus ist streng katholisch geprägt. Die Ferien verbringt Luise vielfach in Wessobrunn.
1924 beginnt sie in München die Ausbildung zur Volksschullehrerin und arbeitet danach zunächst als Aushilfslehrerin an verschiedenen oberbayerischen Schulen und nach 1935 als Lehrerin in Ohlstadt. Von 1934 an engagiert sie sich auch im Bund Deutscher Mädel (BDM) und wird Ausbilderin von BDM-Gruppenführerinnen. In dieser Zeit veröffentlicht sie erste kleine Erzählungen und pathetisch-patriotische Gedichte in der Zeitschrift Herdfeuer. Ab 1936 gehört sie der NS-Frauenschaft und dem NS-Lehrerbund an. Am 22. Mai 1939 heiratet sie Horst Günther Schnell, scheidet damit nach geltendem Recht aus dem Schuldienst aus und zieht nach Braunschweig, wo am 27. Februar 1940 der Sohn Christoph geboren wird. Im September 1941 zieht die Familie nach Rostock, wo am 10. Oktober ihr Sohn Stephan zur Welt kommt.
Sie entscheidet sich, Schriftstellerin zu werden. Bereits seit ihrer Zeit in Ohlstadt steht sie in einem bis 1950 währenden Briefkontakt mit Hermann Hesse und nimmt schließlich auch einen sehr privaten Kontakt zum Schriftsteller Ernst Jünger auf. Ihr Erstlingswerk Die gläsernen Ringe (1941) ist erfolgreich, als Drehbuchschreiberin für das Filmunternehmen UFA verdient sie gut, zumal sie im Mai 1942 noch an einem Auslandspropaganda-Film der Ufa, einem Spielfilm über den weiblichen Arbeitsdienst beteiligt ist.
Doch die Ehe mit Horst Günther Schnell scheitert und Luise Rinser zieht schließlich nach Kirchanschöring bei Salzburg. 1943 heiratet sie ihren Schriftstellerkollegen Klaus Herrmann, der dann zusammen mit seiner Mutter bei ihr einzieht.
Im Oktober 1944 wird sie wegen „Wehrkraftzersetzung“ angezeigt, verhaftet und ins Frauengefängnis Traunstein eingeliefert. Die Anschuldigung ist jedoch von vornherein relativiert durch die Erklärung, dass diese aus Eifersucht erfolgt sein könnte. Eine Gerichtsverhandlung wegen der Anschuldigung erfolgt nicht, vermutlich Ende Februar oder Anfang März 1945 verlässt sie das Gefängnis.
Luise Rinser gilt in Anbetracht dieser Inhaftierung nunmehr als Verfolgte des NS-Regimes. So ist für sie nach dem Krieg der berufliche Einstieg schnell möglich. Von 1945 bis 1953 ist sie freie Mitarbeiterin bei der Neuen Zeitung in München. Sie schreibt Artikel und Rezensionen, es erscheint ihr Gefängnistagebuch (1946), außerdem eine Sammlung von Erzählungen, dann folgen Romane wie Hochebene (1948), Die Stärkeren (1948), Mitte des Lebens (1950), Daniela (1953) und Der Sündenbock (1955). Als politisch Verfolgte erhält sie 1948 auch eine Wohnung in München-Laim, was der Ehe mit Klaus Herrmann von selbst ein Ende setzt. Sie hat in München einen beachtlichen Bekanntenkreis: Hermann Kesten, Heinrich Waggerl, Alfred Polgar, Leonhard Frank, Erich Kästner, Hans Schweikart, Wolfgang Koeppen und viele andere. Bei einer Vorsprache in Frankfurt bei ihrem damaligen Verleger Peter Suhrkamp begegnet ihr schließlich Fritz Landshoff. Dass er verheiratet ist, ist für das beginnende Liebesverhältnis kein Hindernis.
1950 zieht sie in die Borstei, eine Mustersiedlung aus den zwanziger Jahren im Münchner Stadtbezirk Moosach, wo sie bis 1995 ihren Hauptwohnsitz neben Rom und später Rocca di Papa hat.
1952 begegnet sie dem Komponisten Carl Orff, den sie 1954 standesamtlich heiratet. Die Familie wohnt zuerst in München-Bogenhausen, dann 1955 im eigenen Haus in Dießen am Ammersee. Aber auch das Zusammenleben mit Carl Orff erweist sich als schwierig. Am 8. Dezember 1955 lernt sie einen Ordensmann kennen, der, wie sie sagt, die große, aber unerfüllbare Liebe ihres Lebens wird, nämlich Johannes Maria Hoeck (1902-1995), bayerischer Benediktinerpater, damals Abt der Abtei Ettal und später der Abtei Scheyern. Die Beziehung bleibt verschiedentlich nicht unbemerkt und irritiert. Die Ehe Rinser / Orff wird 1960 geschieden.
Als 1958 Luise Rinser ein Stipendium für die Villa Massimo in Rom angeboten wird und ihr Sohn Christoph ab Herbst 1959 sein Studium in Rom an der Università Gregoriana beginnen soll, zieht sie im September 1959 in eine Wohnung am Fuß des Aventin, bis sie 1961 ein Grundstück in Rocca di Papa (Castelli Romani), erwirbt, wo sie 1964 ein Haus baut, in das sie am 31. Januar 1965 einzieht. 1986 erhält sie die Ehrenbürgerwürde von Rocca di Papa. Ihren Hauptwohnsitz in München behält sie bei.
1962 begegnet sie dem Jesuitenpater Karl Rahner, mit dem sie bis zu dessen Tod 1984 eng befreundet ist. Ab 1975 schließt Luise Rinser eine weitere enge lebenslange Freundschaft mit dem koreanischen Komponisten Isang Yun. 1980 lernt sie in Nordkorea den Präsidenten Kim Il-sung kennen.
Luise Rinser besucht am 5. September 1967 spontan und unangemeldet Gertrud von le Fort in Oberstdorf. Sie ist von der alten Dame einerseits angetan. Aber sie stört sich an den Gegebenheiten in le Forts Wohnung und besonders am Alter der 91jährigen Dichterin. Sie schreibt: „Nachher, wieder am Steuer meines Wagens, merke ich, dass ich sehr schnell fahre, noch schneller als sonst. In einem überlichten Augenblick erkenne ich darin den Wunsch, dem Alter zu entfliehen.“
Luise Rinsers literarisches Schaffen ist überaus umfangreich und beinhaltet über 30 Bücher, Romane, Erzählungen, Kinder- und Jugendbücher, Reiseberichte, eine Vielzahl an Essays zu politischen, theologischen, kirchlichen und literarischen Sachverhalten und zu allgemeinen Lebensfragen. Zu erwähnen sind auch ihre autobiografie- und tagebuchartigen Texte. Ihre Werke wurden in 24 Sprachen übersetzt, mehr als fünf Millionen Exemplare wurden verkauft.
Sie engagiert sich nahezu ihr ganzes Leben lang im (gesellschafts-)politischen Bereich. Ihre Einstellung gegenüber dem Nationalsozialismus wurde lange Zeit kontrovers diskutiert und ist zwischenzeitlich geklärt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist sie eine der führenden Stimmen des sog. Linkskatholizismus. Sie kämpft für Frauenrechte und spricht sich für die Abschaffung des Abtreibungsparagrafen § 218 in der damaligen Form aus. Sie übt scharfe Kritik an der Katholischen Kirche, setzt sich vehement für die Verhinderung der Notstandsgesetze ein und unterstützt Ende der 1960er Jahre die Studentenbewegung. Ihre Kritik in einem offenen Brief 1968 am Urteil wegen der Kaufhaus-Brandstiftung am 2. April 1968 durch Andreas Bader, Gudrun Ensslin u. a. missfällt, doch die Liga der Menschenrechte und andere Gruppen und Personen schließen sich ihr an. Nach der – das Urteil bestätigenden – Revision schickt sie am 1. Februar 1970 ein Gnadengesuch an Bundespräsident Heinemann mit der Begründung, dass diese jungen Leute eigentlich eine Verbesserung sozialer Missstände anstreben und man sie so in die falsche Richtung treiben könne. Ihr Gnadengesuch wird abgelehnt. Zusammen mit Günter Grass unterstützt sie im Wahlkampf 1971/72 Willy Brandt, den sie sehr verehrt. In den 1980er Jahren wendet sie sich verstärkt der Friedensbewegung zu. Sie nimmt an Demonstrationen gegen die Nachrüstung in der Bundesrepublik Deutschland mit Pershing-Raketen teil. Sie demonstriert gegen die WAA in Wackersdorf und in Heilbronn vor dem amerikanischen Raketenstützpunkt. 1984 ist sie Kandidatin der GRÜNEN für das Amt des Bundespräsidenten. Sie unternimmt eine Vielzahl an Reisen, besucht Polen, Irland, die Sowjetunion, die USA, Bolivien, Spanien, Indien, Indonesien, Südkorea, Nordkorea und den Iran.
Ende der 1990er Jahre lebt Luise Rinser die meiste Zeit in München und ist nur noch gelegentlich, letztmals 2000/01 in Rocca di Papa. Sie stirbt am 17. März 2002 in einem Seniorenheim in Unterhaching und wird in Wessobrunn neben ihrem Sohn Stephan begraben.
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