Elisabeth Langgässer

Elisabeth Langgässer wird am 23. Februar 1899 als Tochter der Eugenie Langgässer, geb. Dienst (1859-1942), und des aus einer jüdischen Familie stammenden Eduard Langgässer (1846-1909) in Alzey geboren und katholisch getauft. Nach dem Tod des Vaters 1909 zieht die Mutter mit ihr und ihrem jüngeren Bruder Heinrich nach Darmstadt, wo Elisabeth 1918 ihr Abitur ablegt und sich zur Volksschullehrerin ausbilden lässt. Bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Schuldienst 1928 unterrichtet sie an verschiedenen hessischen Schulen. In diese Zeit fällt der Beginn ihres literarischen Schaffens zunächst mit Gedichten wie dem Band Der Wendekreis des Lammes (1924) und dem Prosatext Proserpina (1931).

1927 begegnet sie in Berlin dem Juristen und Staatsrechtler jüdischer Abstammung Hermann Heller (1891-1933). Aus einer kurzfristigen Liaison entstammt die am 1. Januar 1929 geborene, katholisch getaufte Tochter Cordelia Maria. Elisabeth Langgässer zieht mit ihrer Tochter zu Mutter und Bruder nach Berlin und übernimmt bis 1930 eine Lehrtätigkeit im Sozialpädagogischen Seminar des Vereins Jugendheim in Charlottenburg. In diese Zeit fällt die zweite, umfangreiche Schaffensperiode als freie Schriftstellerin mit: Grenze: Besetztes Gebiet (1932), Triptychon des Teufels (mit Mars, Merkur und Venus - 1932), Tierkreisgedichte (1935), Der Gang durch das Ried (1936) u. a. Für ihre Novelle Merkur wird sie 1931 mit dem erstmals vergebenen Literaturpreis des Deutschen Staatsbürgerinnen Verbands ausgezeichnet. 

Im Juni 1932 fährt Elisabeth Langgässer mit ihrer Tochter Cordelia nach Oberstdorf zu einer Bekannten aus den Darmstädter Jahren, der Neurologin Anna von Philipsborn, die mit Ernst von Philipsborn, einem Internisten, verheiratet ist. Sie wohnen im Landhaus Hochfeichter, Zollstraße 4. Ende Juli / Anfang August 1933 macht Elisabeth Langgässer ein zweites Mal Urlaub in Oberstdorf, diesmal zusammen mit ihrer Freundin Liesel Andre. Auch den Herbsturlaub 1934 verbringen beide wiederum hier. Sie wandern diesmal von Heilbronn aus zum Bodensee und unternehmen bei der Rückfahrt noch eine Bergtour aufs Nebelhorn. 

Ab Frühjahr 1933 schreibt Elisabeth Langgässer für den Hörfunk bis 1934 sieben Hörspiele, von denen fünf gesendet werden. Bei der Produktion lernt sie den Dramaturgen Dr. Wilhelm Hoffmann (1899-1967) kennen, den sie 1935 heiratet, kurz bevor das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre eine solche Verbindung zwischen „Arier“ und „Nichtariererin“ verbietet. Ihre Hochzeitsreise geht nach Oberstdorf ins Landhaus Hochfeichter. Anschließend wohnen sie zusammen mit Elisabeth Langgässers Mutter und deren Bruder in Berlin im Eichkatzweg 33.

Als Halbjüdin wird Elisabeth Langgässer 1936 aus der Reichsschriftumskammer ausgeschlossen, was zugleich ein Publikationsverbot innerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs zur Folge hat. Bereits 1935 hat Wilhelm Hoffmann seine Arbeitsstelle gekündigt, um einer zwangsweisen Entlassung zuvorzukommen und seine künftige Familie zu schützen. Die wirtschaftliche Lage in der Familie gestaltet sich daher künftig äußerst schwierig.

1938 wird die Tochter Annette, 1940 Barbara und 1942 – kurz nach einem Urlaub diesmal in Tiefenbach (heute Ortsteil von Oberstdorf) – Franziska geboren. Für das Wohlergehen Cordelias, die nach den NS-Rassegesetzen als Volljüdin gilt, besteht inzwischen höchste Gefahr, was von der Familie offenbar zunächst nicht realisiert wird. Cordelia darf zwar ab 1936 den Familiennamen Hoffmann führen, dies ändert aber nichts daran, dass sie von den antijüdischen Gesetzen in vollem Umfang betroffen ist. Nach gescheiterten Versuchen, Cordelia in die Schweiz bzw. nach Brasilien in Sicherheit zu bringen, gelingt es Elisabeth Langgässer Anfang 1943, ihrer Tochter mittels einer fingierten Adoption durch ein spanisch-belgisches Ehepaar die spanische Staatsbürgerschaft und damit einen spanischen Pass zu verschaffen. Doch im Juli 1943 wird Cordelia von der Gestapo vorgeladen und im Beisein der Mutter gezwungen, neben der spanischen auch weiterhin die deutsche Staatsbürgerschaft beizubehalten, andernfalls würde ihre Mutter belangt werden wegen des Versuchs, eine Jüdin den deutschen Rassengesetzen zu entziehen. Cordelia unterschreibt, kommt zunächst in ein Sammellager, dann als 15-Jährige 1944 erst nach Theresienstadt und schließlich nach Auschwitz-Birkenau. Wilhelm Hoffmann wird zu Tätigkeiten im militärischen Bauwesen als Zwangsarbeiter bei der Organisation Todt eingezogen, Elisabeth Langgässer einige Monate in einer Kabelfabrik dienstverpflichtet.

Bei Elisabeth Langgässer treten ab 1942 erste Anzeichen der Multiplen Sklerose auf. Sie ist vorübergehend linksseitig gelähmt, hat Seh-, Gleichgewichts- und motorische Störungen. Die Familie wird ausgebombt und erlebt die letzten Kriegstage in einem Gartenbunker. Es gelingt Elisabeth Langgässer trotzdem, 1945 ihr Hauptwerk, den Roman Das unauslöschliche Siegel abzuschließen (1947 gedruckt) und den Roman Märkische Argonautenfahrt zu beginnen.

Am 6. Januar 1946 erfährt die Familie, dass Cordelia – schwer traumatisiert – das Vernichtungslager Auschwitz überlebt hat und 1945 nach Schweden in ein Lungensanatorium gebracht worden ist. 

Elisabeth Langgässer erleidet in den nächsten Jahren immer wieder Schübe ihrer tückischen Erkrankung. Die Familie lebt in bedrückenden wirtschaftlichen Verhältnissen. Doch literarisch zeigen sich für Elisabeth Langgässer Erfolge: In den ersten fünf Nachkriegsjahren zählt sie zu den bekanntesten deutschsprachigen Autoren. Sie verfasst Kurzgeschichten, Hörspiele, und arbeitet am Roman Märkische Argonautenfahrt. 

Nachdem Wilhelm Hoffmann 1948 eine Dozentur an der Dolmetscherakademie in Germersheim erhält, zieht die Familie nach Rheinzabern und Elisabeth Langgässer wird in den P.E.N.-Club aufgenommen. Es erscheint die Textsammlung Der Torso mit ihrer Kurzgeschichte Saisonbeginn, zu der sie in Oberstdorf angeregt wurde. 1949 folgt die weitere Kurzgeschichtensammlung Das Labyrinth, u. a. mit der 1933 in Oberstdorf geschriebenen Erzählung Die Bootstaufe.

Im Jahr 1949 kommen Cordelia und ihr Mann Ragner Edvardson erstmals mit dem Sohn Martin (geb. 1948) auf Besuch nach Rheinzabern. Es ist zugleich die letzte Begegnung.

1950 wird Elisabeth Langgässer in die Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur gewählt. Sie hält noch einen Vortrag an der Sorbonne, eine Lesung in Fribourg und Zürich und kann den Roman Märkische Argonautenfahrt noch abschließen, der posthum im Oktober 1950 gedruckt wird. Sie stirbt am 25. Juli 1950 im Karlsruher Krankenhaus St. Vinzenz und wird in Darmstadt begraben.