Gottfried Benn

Gottfried Benn wird am 2. Mai 1886 als zweites von acht Kindern des evangelischen Pfarrers Gustav Benn und seiner Ehefrau Caroline in Mansfeld (Westprignitz) geboren. Ab 1903 studiert er Evangelische Theologie und Philologie in Marburg, dann in Berlin, wo er 1905 ein Medizinstudium an der Kaiser-Wilhelm-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen beginnt. Er besteht am 24. Februar 1912 das medizinische Staatsexamen. 1912/13 arbeitet Benn als Pathologe und Serologe an Berliner Krankenhäusern. Daneben erzielt er mit seinem Gedichtband Morgue und andere Gedichte insbesondere in avantgardistischen Kreisen großes Aufsehen. Die Gedichte werden als skandalös, zynisch, ja als pervers empfunden. Sie verstoßen gegen das bürgerliche Schönheitsideal, gegen das christlich-jüdische und christlich-humanistische Menschenbild, sie erscheinen als Angriff gegen die Fundamente der Zivilisation überhaupt. Doch gleichzeitig begründen sie Benns Karriere als Literat und machen ihn zum Sensationsautor des Expressionismus.

In den Kriegsjahren 1914 bis 1917 ist Benn in Brüssel in einem Krankenhaus für Prostituierte tätig, wo seine Rönne-Novellen entstehen. Wegen Wehrdienstunfähigkeit entlassen, lässt er sich in Berlin als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten nieder und veröffentlicht seine Prosasammlung Gehirne sowie die Gedichtsammlung Fleisch. Ab 1927 wendet er sich literarisch dann der Essayistik zu mit nihilistischer, von der Philosophie Nietzsches bestimmter geschichtsphilosophischer Zeitkritik. Ins Blickfeld des öffentlichen kulturpolitischen Interesses rückt Benn im Januar 1932 mit seiner Wahl in die Preußische Akademie der Künste, wo er 1933 kommissarischer Vorsitzender der Sektion für Dichtkunst wird. In der irrigen Meinung, die Eigenständigkeit der Akademie für deren eigentliche Aufgaben durch Unterwerfung unter die aktuellen politischen Gegebenheiten retten zu können, fordert er von den Akademiemitgliedern eine Loyalitätserklärung gegenüber dem nationalsozialistischen Staat ein. Dass dabei eine Reihe politisch missliebiger Mitglieder aus der Akademie gedrängt und mit systemnahen Personen ersetzt wird, berührt ihn nicht. Er selbst unterschreibt das Gelöbnis treuester Gefolgschaft gegenüber Adolf Hitler, das von der Sektion initiiert und von insgesamt 88 deutschen Schriftstellern und Dichtern unterzeichnet wird. In Rundfunkvorträgen und Aufsätzen verteidigt er polemisch den Nationalsozialismus und diskreditiert damit insbesondere auch die inzwischen emigrierten Schriftstellerkollegen.

Ausgelöst u. a. durch den Judenboykott und die Bücherverbrennung 1933 sowie durch den sog. Röhm-Putsch 1934 kommen ihm Zweifel am neuen Staat, zumal inzwischen Aktivitäten auch gegen ihn selbst gerichtet sind. Ab September 1933 dürfen seine Gedichte nicht mehr veröffentlicht werden, ab Mai 1934 ist es ihm verboten, Vorträge im Radio zu halten. Seine Zulassung als Arzt ist gefährdet. Benn wird von verschiedenen nationalsozialistischen Organen massiv angegriffen. In anonymen Schreiben wird er beschimpft, vom Schriftsteller Börries Freiherr von Münchhausen öffentlich diffamiert. Parteigenossen wenden sich von ihm ab, aber auch die Schriftstellerkollegen im Exil gehen zu ihm auf Distanz.

Vom 25. September bis 8. Oktober 1934 macht Benn Urlaub in Oberstdorf und wohnt im Hotel Löwen in der Kirchstraße. Er wandert rund um Oberstdorf, u. a. zum Freibergsee, durch das Stillachtal, fährt auf das Nebelhorn, ins Walsertal, genießt das herrliche Wetter, die Landschaft, die Natur – und erkennt: „… ich muss geistig weiterkommen“. Der Urlaub in Oberstdorf bewirkt einen Wendepunkt in seinem Leben, was literarisch seinen Ausdruck findet in dem während dieser Zeit geschriebenen Gedicht Am Brückenwehr IV.

1935 erhält Benn eine Stelle als Sanitätsoffizier in Hannover, wird 1937 nach Berlin versetzt, 1943 nach Landsberg a. d. Warthe. Aus der Reichsschriftumskammer wird er bereits 1938 ausgeschlossen und ist – belegt mit einem Schreibverbot – literarisch isoliert.

Bei Kriegsende wird ihm seine frühere Nähe zum Nationalsozialismus zum Verhängnis: Niemand interessiert sich für das, was er in den vergangenen Jahren literarisch geschaffen hat. Von seinen Literatenkollegen wird er geschnitten und ignoriert. Erst 1948 erscheinen in der Schweiz seine Statischen Gedichte. Ab 1949 wird sein literarisches Spätwerk (Lyrik, Essays, Prosa) nach und nach zur Kenntnis genommen. In seiner 1950 erschienen Autobiographie Doppelleben bemüht er sich um die Rechtfertigung seines Verhaltens während der NS-Zeit, er nimmt Möglichkeiten für Radiolesungen und öffentliche Diskussionen wahr und so gelingt es ihm, in der frühen Adenauerzeit zu einem der gefragtesten deutschsprachigen Dichter zu werden. 1951 erhält er den renommierten Georg-Büchner-Preis.

Gottfried Benn stirbt am 7. Juli 1956 und wird in einem Ehrengrab auf dem Waldfriedhof in Berlin Dahlem begraben.