Alfred Döblin
Alfred Döblin wird am 10. August 1878 in Stettin als viertes von fünf Kindern des Schneidermeisters Max Döblin (1846-1921) und seiner Ehefrau Sophie (1844-1920), geb. Freudenheim, geboren und wächst in einer assimilierten jüdischen Familie auf. Als sein Vater 1888 mit einer 20 Jahre jüngeren Frau eine Beziehung eingeht und die Familie verlässt, zieht seine Mutter mit den Kindern nach Berlin, wo Alfred ab 1891 das Köllnische Gymnasium besucht, an dem er 1900 sein Abitur ablegt.
Ab dem Wintersemester 1900/01 studiert er Medizin an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin und tritt in Kontakt mit Literaten wie Herwarth Walden und Else Lasker-Schüler. 1904 wechselt er an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und wird dort nach bestandener Abschlussprüfung zum Dr. med. promoviert. Nach der Approbation arbeitet er 1905 an der Königlichen Kreisirrenanstalt Karthaus-Prüll in Regensburg, dann an der Irrenanstalt Berlin-Buch und ab 1908 im Berliner Klinikum Am Urban. 1911 eröffnet er in Berlin eine Kassenarztpraxis als praktischer Arzt, Geburtshelfer sowie Spezialarzt für Innen- und Nervenkrankheiten.
Während seiner Tätigkeit an der Psychiatrie Buch verliebt sich der 28-jährige Döblin in die 16-jährige Krankenschwester Frieda Kunke (1891-1918). Aus der Liebesbeziehung entstammt der am 11. Oktober 1911 geborene Sohn Bodo Kunke. Am 23. Januar 1912 heiratet Döblin jedoch Erna Reiss (1888-1957). Aus dieser Verbindung gehen vier Kinder hervor. Die Ehe ist bis zum Tod der Ehegatten schwierig, nicht zuletzt deshalb, weil Döblin von 1921 bis 1945 auch eine Beziehung mit Charlotte (Yolla) Niclas hat.
Nach der Geburt des Sohnes Peter (1912) tritt Döblin zwar aus der jüdischen Gemeinde aus, doch die Beschäftigung mit religiösen Fragestellungen begleitet ihn zunehmend sein ganzes Leben. Insbesondere das Kruzifix in der Marienkirche in Krakau (1924) und in der Kathedrale von Mende (Okzitanien) auf der Flucht vor den Nazis 1940 sind Schlüsselerlebnisse für Döblins Konversion 1941 zum Katholizismus.
1914 meldet sich Döblin freiwillig zum Wehrdienst und kommt als Militärarzt in ein Seuchenlazarett in Saargemünd (Elsass), wohin nach der Geburt des Sohnes Wolfgang 1915 auch seine Frau mit den beiden Kindern nachzieht. Gesundheitliche Probleme erzwingen Kuraufenthalte in Bad Kissingen und Heidelberg. 1917 wird der Sohn Klaus geboren und Döblin wird nach Hagenau versetzt. Bei Kriegsende kehrt die Familie nach Berlin zurück. Seinen Roman Wallenstein kann er bis dahin nahezu abschließen.
1919 eröffnet Döblin eine Praxis als Spezialist für Innere und Nervenkrankheiten. Zugleich tritt er als politischer Essayist in Erscheinung. Ab 1924 spielt er in Berlin in gesellschaftlicher und literarischer Hinsicht zwar eine maßgebliche Rolle, doch seine Werke werden von der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Auch seine Arztpraxis erbringt nicht das notwendige Einkommen.
1928 wird Döblin in die Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Schönen Künste gewählt. Im Oktober 1929 erscheint sein bekanntester Roman Berlin Alexanderplatz und wird über den deutschsprachigen Raum hinaus zum literarischen Ereignis, so dass Döblin sogar für den Nobelpreis vorgeschlagen wird. Der Roman wird 1931 erstmals verfilmt, 1980 entsteht eine 14-teilige Fernsehserie, 2020 eine filmische Neufassung, in der das Romangeschehen ins Berlin der Gegenwart verlegt wird.
Da Döblin rechtzeitig gewarnt wird, flieht er im Februar 1933 nach dem Reichstagsbrand zunächst allein nach Zürich. Erna und die Söhne Peter, Klaus, Wolfgang und Stephan kommen nach. Im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ werden am 10. Mai 1933 Döblins Bücher in Deutschland öffentlich verbrannt. Die Familie flieht zunächst weiter nach Paris, wegen des drohenden Vormarsches der deutschen Truppen gehen Erna, Alfred und Stephan Döblin nach Südfrankreich und dann über Lissabon nach Hollywood.
Döblin findet befristet auf ein Jahr bei der Metro-Goldwyn-Mayer Filmgesellschaft (MGM) in Hollywood „Arbeit“ als Drehbuchautor. Doch in der neuen Umgebung findet er sich nicht zurecht. Die wirtschaftliche Lage ist ungesichert und unzureichend. Der soziale Abstieg verbittert ihn zunehmend. Um diesem Zustand zu entkommen, ist er daher einer der ersten Exilautoren, die 1945 nach Deutschland zurückkehren. Im Rahmen des Umerziehungsprogramms der Siegermächte wird er Literaturinspekteur der französischen Militärverwaltung, zunächst in Baden-Baden. Seine Aufgabe ist die Zensur von Belletristik und Sachbüchern sowie die Herausgabe der literarischen Monatsschrift Das goldene Tor.
Anfang August 1949 halten sich Erna und Alfred Döblin zusammen mit dem befreundeten Ehepaar Sascha und Ludwig Marcuse in Oberstdorf auf. Sie fahren von hier aus weiter nach Partenkirchen, um dort Urlaub zu machen. Döblin ist im September dann Ehrengast in Venedig beim Kongress des Internationalen P.E.N.-Club. Im Herbst 1949 ziehen sie von Baden-Baden nach Mainz.
Döblins Gesundheitszustand verschlechtert sich zunehmend. Zu seinem ohnehin starken Augenleiden kommen neuralgische und arthritische Beschwerden. 1950 zeigen sich auch erste Anzeichen der Parkinson-Krankheit. Im September 1951 muss er sich wegen der weiterhin abnehmenden Sehkraft in Paris einer Augenoperation unterziehen. Im August 1952 ist er dann erneut in Oberstdorf zur Kur im Alpenhotel Panorama, Reute 6. Nachdem er am 20. September 1952 einen neuerlichen Herzinfarkt erleidet, und liegt er vom 23. September 1952 bis 28. Januar 1953 im Mainzer Hildegardis-Krankenhaus.
Zu den erheblichen gesundheitlichen Beschwerden kommen seine Enttäuschung und Verbitterung über die Ignoranz, die man seinen Werken entgegenbringt. Er fühlt sich in Deutschland überflüssig, zumal seine Popularität zu schwinden beginnt. So wandern die Eheleute Döblin am 29. April 1953 erneut nach Paris aus, der Verhältnisse in Deutschland überdrüssig.
Die ab 1954 drastisch fortschreitende Parkinson-Krankheit macht bis zu seinem Tod wiederholte Aufenthalte in verschiedenen Kliniken und Sanatorien erforderlich (Freiburg, Baden-Baden, Friedenweiler, Höchenschwand). Dazwischen kehrt er immer wieder nach Paris zurück. 1954 erhält er den Großen Literaturpreis der Mainzer Akademie. Schließlich wird er zum Pflegefall. Im Februar 1956 kommt er erneut ins Universitätsklinikum Freiburg, dann ins Sanatorium Wiesneck in Buchenbach, am 1. Juni 1957 wird er in das Landeskrankenhaus Emmendingen verlegt. Verbittert und elend stirbt Alfred Döblin im Beisein seiner Frau dort am 26. Juni 1957 im Alter von 78 Jahren. Seine letzte Ruhestätte findet er an der Seite seines Sohnes Wolfgang in dem kleinen lothringischen Ort Housseras. Dort hatte sich dieser, um nicht als französischer Soldat in deutsche Kriegsgefangenschaft zu gelangen und als Jude den sicheren Weg in die KZ-Gaskammer zu gehen, im Juni 1940 in einem Bauernhaus versteckt, seine Papiere verbrannt und sich dann erschossen.
Am 14. September 1957 nimmt sich Erna Döblin in Paris das Leben und wird neben dem Sohn Wolfgang und dem Ehemann in Housseras bestattet.
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