Das Murmletier - der "Berghoibar"
Für mich war es als Kind immer ein besonderes Erlebnis, bei einer Bergtour in ein Gebiet mit Murmeltieren zu kommen. Lange bevor wir sie sehen konnten, hörten wir sie pfeifen. Dabei können sie zwei verschiedene Warnpfiffe ausstoßen. Ist die Gefahr nicht so groß, wie beim Menschen, dann sind es ein paar kürzerer Pfiffe - schnell hintereinander. Taucht dagegen der gefährlichste Jäger, der Steinadler, auf, denn ist es nur ein kurzer und besonders laut Pfiff. Trotz dieses Sicherheitssystems stellen Murmeltiere in der nahen Schweiz seine Hauptnahrungsquelle dar. Auf der Internetseite "murmate.ch", kann sich übrigens so einen Pfiff anhören.
Da bei uns die Jagd auf das Murmeltier, das mit wissenschaftlichem Namen „Marmota marmota“ heißt, verboten ist, dauert es nicht lange, bis sie sich wieder sehen lassen. In einer Murmelekolonie leben unter einem Paar und deren jüngeren Verwandten bis zu 20 Individuen. Sie begrüßen sich, indem sie die Nasen aneinander reiben und die Köpfe zusammenstecken. Nur das dominante Weibchen wirft nach einer Tragzeit von dreißig Tagen 5 bis 12 Junge. Diese verlassen nach ca. drei Jahren die elterliche Gemeinschaft, um meist eine neue zu gründen, bzw. sich in selteneren Fällen einer anderen anzuschließen. Diese Wanderung ist wohl die gefährlichste Zeit im Leben eines Murmeltieres und nicht wenige werden dabei von Räubern geschlagen und bald die Hälfte stirbt bei ihrem ersten Winterschlaf außerhalb der alten Familie. Wenn alles gut geht, können die Murmeltiere bis zu 12 Jahre alt werden.
Eigentlich sind die Murmeltiere ein Überbleibsel der Eiszeit. Im Normalfall leben Murmeltiere nämlich in kalten Flachlandgebieten. Als sich die Gletscher am Ende der letzten Würm-Kaltzeit zurückzogen, mussten die wärmempfindlichen Murmeltiere in kältere Gebiete wie die Alpen ausweichen. Murmeltiere können Hitze nicht gut ertragen, da sie nur wenige Schweißdrüsen besitzen und nicht hecheln. Dafür isoliert das Fell mit einer Unterwolle aus kürzeren, etwas gewellten Haaren und dichten, kräftigen Grannenhaaren gut gegen die Kälte. Jetzt leben sie seit 25.000 Jahren wie auf einer isolierten Insel. Die nächsten Nachbarn wohnen auf den Karpaten und den Pyrenäen.
Interessant sind seine Höhlensysteme, die 10 bis 70 m lang sein können und an denen meist mehrere Generationen lang gegraben wurden. Die kürzeren Vorderfüße mit jeweils vier Zehen besitzen deshalb ausgeprägte Grabpfoten. Dabei gibt es extra Gänge z.B. für die Flucht, die Toilette und als Nestkammern.
Im Herbst sind Murmeltiere häufig beim "Heuben" zu beobachten. dabei legen sie jedoch keinen Vorrat für den Winter an, sondern polstern und isolieren damit nur ihre Schlafhöhlen aus. Ihre Nahrung besteht aus Wurzeln, Kräutern und Gräsern. Im Herbst können die bis zu 50 cm großen Murmeltiere 5 kg wiegen. Das benötigen sie für den Winterschlaf. Dieser dauert von Oktober bis März und die Tiere nehmen in dieser Zeit ungefähr ein Drittel ihres Gewichtes ab. Die Tiere schlafen dabei nicht durch, sondern wachen alle drei bis vier Wochen auf, um dann ihre Notdurft zu verrichten. Die Sterblichkeit während des Winterschlafes ist jedoch auch recht hoch. Besonders betroffen sind die Weibchen, die im Sommer zuvor geworfen haben und die Jungtiere, denn sie hatten im Sommer nicht genügend Zeit sich die erforderlichen Fettreserven anzufressen. Besonders günstig sind die Überlebenschancen in den Gruppen, in den sich noch viele ältere Geschwister aufhalten.
Früher wurden die Murmeltiere, die im Dialekt Burmänte heißen, auch bei uns bejagt. Oberjäger Dorn soll über 300 geschossen haben. Einerseits waren sie auf den Alpen oft lästig, da sie durch den Höhlenbau gefährlich Stolperfallen für das Vieh erstellten und andererseits wurde das Murmeltier auch gerne gegessen. Groß berichtet: "Das Fleisch ist äußerst wohlschmeckend, wenn das ausgeweidete Thier wie eine Ferkel gebrüht und geschabt in den Rauch gehängt wird." Außerdem soll sein Fell in Notzeiten als willkommene Rauchware genutzt worden sein. Heute ist eigentlich nur noch das Murmelefett von Bedeutung, das aus medizinischen Gründen gerne von Einheimischen gekauft und bei uns in den örtlichen Apotheken noch angeboten wird. Es soll gegen ein ganzes Spektrum an Krankheiten wirksam sein: Brust- und Lungenleiden, Magenbeschwerden, Seitenstechen sowie gegen Nerven- und Gelenksschmerzen. Auf jeden Fall scheint (laut mehreren Artikeln im Internet) der hohe Corticoidgehalt im Murmelefett nachgewiesen sein, wodurch auf jeden Fall seine entzündungshemmende Wirkung begründet werden könnte.