Hexen (Erläuterungen)

Hexenverbrennung
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gemeinfrei

In diesem Artikel wollen wir uns den Nachfahren des Nachtvolkes widmen: den Hexen.

Die Vorstellungen von Hexen, eigentlich sollte ich hier eher sagen „Menschen, denen geheime Kräfte innewohnen, mit denen sie übernatürliche Werke vollbringen können“ , führen uns zurück in die vorchristliche Ideen- und Mythenwelt . Ursprünglich waren es zauberkundige Frauen und Männer, die über Feen Kontakt zu ihren Göttern und Göttinnen hielten. Auch die Christianisierung konnte diese magische Volkskultur über viele Jahrhunderte nicht überwinden. Noch im 15. Jahrhundert lebten Perchten, Trutten, Elben, Schrätel und „Unhollen“ überall in den Vorstellungen der Bevölkerung fort. Allenthalben traf man damals auf zauberkundige Personen, die von breiten Bevölkerungsschichten in allen Lebensfragen zu Rate gezogen wurden. Da sie eine Art säkulares Priestertum ausübten, wurden sie von vielen geistlichen und weltlichen Obrigkeiten als Konkurrenz empfunden.  Unter dem Einfluss des Christentums wandelte sich nun langsam das Bild dieser Frauen und Männer. Aus dem positiven Begriff "Holda" wurde im Mittelalter die "Unholda". Im Verlauf des 15. Jahrhunderts kam aus der Schweiz der neue Begriff "Hexerei" . Durch Schriften, wie dem "Hexen­hammer" von Heinrich Kramer (1430-1505) , wurde das typisierte Bild der Hexe der Neuzeit geprägt. Das Bild der Hexe musste diesem vorgegebenen Bild so genau entsprechen, dass der Oberstdor­fer Rosshirte Stoeckhlin in den Jahren 1586/87 so lange „peinlichst" befragt wurde, bis seine Aussagen in den Raster der Inquisitoren passten. So berichtet Stoeckhlin von seinen Fahrten mit der Nachtschar. Doch er wird nicht zu einem nächtlichen Gelage mit Tanz und Musik, sondern an Orte, wo man Freud und Leid sieht, entführt. Eine Vorstellung wird deutlich, die eher dem christlichen Fegefeuer entspricht.  Trotzdem passt diese Aussage seinen Richtern nicht ins Konzept, der arme Rosshirt muss widerrufen und gesteht nun, dass er auf den Heuberg, der alemannischen Variante des Blocksberges, gefahren sei und eine Buhlteufelin habe.  Präziser kann nicht aufgezeigt werden, wie sich das Christentum der Gegenreformationszeit der „Guten Gesellschaft“ entledigte. Deutlich wird dies auch in der Sage „Das Hexenhaus im Faltenbach“.

Behringer vermerkt hierzu: „So könnte die Beschreibung von Chonrad Stoeckhlins Haus begonnen haben. Die Häuser von hingerichteten Hexen wurden nicht selten dem Erdboden gleichgemacht. Nichts mehr sollte an ihre Existenz erinnern. Und tatsächlich erging es nicht nur den Häusern so, sondern auch den Vorstellungen.“  Die Oberstdorfer Hexenverfolgung, die durch die Aussagen Stoeckhlins 1587 ausgelöst wurde, bildete das Fanal zu einer der größten Hexenverfolgungen aller Zeiten. In den Jahren 1587-1592 wurden zwischen den Alpen und der Donau mehr Menschen als Hexen hingerichtet als jemals zuvor oder danach. Diese Verfolgungswelle hat unsere regionalen Vorstellungen vom Hexenwesen so stark geprägt, dass sie über viele Sagen Eingang in die Volksglaubensvorstellungen gefunden hat.  Noch heute stellen wir uns Hexen so vor, wie sie damals unter anderem von dem Isnyer Johannes Nider (ca. 1380/90-1438) auf dem Baseler Konzil 1435 beschrieben oder vom Füssener Maler Gabriel Neckher (1611-1687) nach dem Füssener Vorbild in der 1635 erbauten Vierzehnnothelferkapelle gemalt wurde. Leider brannte die Kapelle 1865 ab, aber wenigstens die Bildunterschrift wurde uns über Pfarrer Stützle überliefert: „Der Tod und die Hexe. / Der Tod. / Hupf Auf, Du Hessiges Schemeldier / In dem Feuer must Du Schwitze schier / Dein Gabel Reiten Hat Ein Endt / Auf dem Heyberg Dich Hoch Hast Geschenndt / Die Hexe. / Gott Und Seine Heilligen Zwar / Hab Ich verlaugnet Ist Offenbar / Mein Geliept Hab Ich Dem Teifel Thon / O Weh, O Weh, Was Wiert Meur für Ein Lohn!“  Es ist wohl bezeichnend, wenn die selbe Kapelle in der Sage „Der Mann ohne Kopf bei Ruben“  „Hexenkapelle“ genannt wird.

Auch die Sage „Der fliegende Tiefenbacher“ enthält einige typische Merkmale der Hexensagen: Zauberspruch, Hexensalbe, Hexenfahrt, Hexentanzplatz und Teufel, wollen jedoch nicht abschrecken, sondern eher unterhalten. Der falsch gesagte Zauberspruch, führt zu allerlei lustigen Verwicklungen. Da dieses Schwankmotiv in vielen deutschen Sagen verbreitet war, kann man sie den sogenannten Wandersagen zuordnen .

Doch im Laufe der letzten Jahrhunderte wandelte sich das Bild der Hexe in den Vorstellungen der Menschen. Die Vorstellungen der Ketzerei, des Teufelspaktes und der Fahrt auf den Heuberg wichen den im 19. Jahrhundert oftmals bezeugten Wind- und Wetterhexen.  Als Beispiel sei auf die Sage „Die Hexe von der Grub“ aus dem Walsertal hingewiesen, die in dem lesenswerten Buch „Seltsames und Unheimliches - Die Sagen des Kleinen Walsertales“ wieder veröffentlicht wurde.  Aus Oberstdorf fand ich hierzu keine Sage.

In den letzten beiden Jahrhunderten trat dann das Motiv der Selbstverwandlung der Hexe immer häufiger in den Vordergrund. Die Verwandlungsgestalten der Hexe waren normaler Weise die Tiere der unhörbar schleichenden, räuberischen List: Fuchs und Katze. Freilich auf die Sage „Das Füchslein in Pantoffeln“ haben wir Oberstdorfer keinen Alleinvertretungsanspruch, denn sie wurde mit kleinen Abweichungen von Reiser nicht weniger als siebzehnmal aufgezeichnet. Aber so ändern sich die Zeiten - heute würde man bei solch einem tragischen Tod, wie der Hexe widerfuhr, wohl kaum von einem „guten Ende“ sprechen. Wenn die Hexen in ihrer Verwandlungsgestalt verletzt wurden, dann blieb ihnen diese Verletzung auch nach der Rückverwandlung. Dies führte dann folglich zu ihrem Tod oder in glücklicheren Fällen nur zur Vertreibung.

Bei einer weiteren Gruppe von Hexensagen ist die Verbindungen zu den Aufhockersagen und den Sagen von den Wilden Fräulein ist offensichtlich. Oft tritt die Hexe dabei in den Zügen der Trud, des nächtlich drückenden Alps oder des Schrättles, wie sie im schwäbischen Unterland häufig genannte wird, auf. Man entdeckt sie, wenn man ihr den Rückweg abschneidet. Oft erscheint sie dann als besonders hübsches Mädchen, das eine treue Ehefrau werden kann. Leider enden diese Sagen meist tragisch, wenn die geliebte Ehefrau plötzlich wieder verschwindet.

Vor wenigen Jahren war der Hexenglaube in unseren Dörfern noch stark verbreitet und scheint heute noch nicht ganz überwunden zu sein. Doch die oben behandelten Motive spielen heute kaum noch eine Rolle, geblieben sind die vielen Erzählungen im Bereich des kleinen Schadenzaubers. Allgemein bekannt sind die Butter- und Milchhexen, wie sie auch in der Sage „Hexe wider Willen“ dargestellt ist.

Wie oben schon erwähnt, ist der Hexenglaube immer noch am Leben. „Solange es menschliche Unart ist, den Grund für eigenes Unglück und Versagen in fremder Bosheit zu suchen“ , wird sich dies nicht ändern. Die Menschen haben aus den Gräueln der Vergangenheit wenig gelernt. Menschen fremder Kulturen oder Außenseitern unserer Gemeinschaft begegnen wir mit unergründbarer Angst und oft auch mit unbegründetem Hass. Hier entsteht der Nährboden für Verleumdungen, die bereitwillig geglaubt und als Wahrheit weitererzählt werden. Es gibt also auch Hexen der Moderne,, die...

Hexe fliegt zum Heuberg
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