Beim Heuziehen (Erzählung)
Oberhalb Einödsbach zieht ein jäher Grashang vom Wildengundkopf herab und endet in einem Fels umrandeten Tobel. Man heißt den Grashang „Zillerstättle“. Dort wird alljährlich das Wildheu zu einem Schober aufgebaut, um dann im Winter zu Tal geschafft zu werden. Wenn das geschieht, muss Tags vorher der Weg durch den Schnee gebahnt werden, damit man für das heute ziehen Kraft und Zeit erspart.
Zu dieser Arbeit war einmal der Drüdeseles Joseph ausersehen. Er war schon nahe beim Schober angelangt, als plötzlich eine Lawine losbrach und ihn über die Felswände hinunter warf.
In diesem Augenblick befand sich in Einödsbach drunten der alte Schraudolph vor seinem Hause.
Er sieht die Lawine niedergehen und macht sich, nichts Gutes ahnend, auf den Weg, um nach dem Joseph zu schauen. Am Ausgang des Tobels findet er ihn ganz blaß und verstört auf dem Schnee sitzen.
Wie durch ein Wunder war der junge Bursche ohne weiteren Schaden davon gekommen. Die Lawine, die ihn über die Schrofen mitgenommen, hat ihn wie auf Fittichen getragen und unten auf ihren Schneemassen abgesetzt, statt ihn unter sich zu begraben. Er konnte, vom alten Schraudolph gestützt, nach Einödsbach humpeln und erholte sich dort in kurzer Zeit so gut, daß er imstande war, den Heimweg nach Oberstdorf ohne fremde Hilfe zurückzulegen.
mitgeteilt von Josef Joas, Oberstdorf
Diese Geschichte schrieb Förderreuther in seinen „Bunten Blättern“, S. 26, nieder.