Schmalzbettlerin bekommt Besuch
In den Oberstdorfer Bergen hatte sich einmal eine Schmalzbettlerin* verspätet und mußte in einer Sennhütte bleiben, aus der man schon abgezogen war. Kam da während der Nacht auf einmal ein Mannsbild zur Hüttentür herein mit schönem, weißem Hemd, mit sauberer Schürze und aufgestülpten Ärmeln, wie es die Sennen haben. Er machte ein Feuer in der Herdgrube an, richtete alles Käszeug her, ruckte den Kessel über, hantierte in den Stotzen* und tat in allem genau so, als wolle er käsen, und pfiff und sang vor sich hin. Als er mit der Arbeit scheinbar fertig war, verschwand er wieder, indes die Bettlerin, die alles mit angesehen hatte, Todesängste ausgestanden hatte. Am Morgen war in der Hütte alles wieder im rechten Zustand, und man konnte nicht die mindeste Änderung wahrnehmen.
*Schmalzbettlerin: Bettler zogen damals von Alp zu Alp und bettelten Butter (= Schmalz)