Die ersten "Fremden" kommen nach Oberstdorf
Schon seit Urzeiten wurden Oberstdorf, seine Ortschaften, Täler und Berge von "Fremden" besucht. Können wir nicht die Jäger und Sammler aus der Mittelsteinzeit, welche die Höhen rund um den Talkessel in den Sommermonaten besuchten, als die ersten Touristen bezeichnen? Oder nehmen wir die rätoromanischen Hirten, die in der warmen Jahreszeit das Vieh aus dem damals römischen Voralpengebiet auf die Weiden über der Waldgrenze trieben. Außerdem möchte ich an die "Strahler" erinnern, die schon seit dem frühen Mittelater regelmäßig auf ihrer Mineraliensuche durch unsere Alpen streiften und die Häuser unserer Ahnen zum Übernachten aufsuchten. Sie machten so großen Eindruck, dass sie unter dem Namen "Venediger" Eingang in viele unserer Volkssagen fanden.
Doch die ersten richtigen "Gäste besuchten zu Beginn der Neuzeit das Tiefenbacher Schwefelbades, das 1518 von Graf Hugo von Montfort mit einem Badhaus versehen wurde und das schon lange zuvor von Heilung suchenden "Kurgästen" frequentiert wurde. Auch die vielen Wallfahrer dürfen wir nicht vergessen, die seit dem 17. Jahrhundert hauptsächlich aus dem Lechtal kommend die Lorettokapellen mit dem Gnadenbild besuchten.
Eigentlich war unser Gebiet schon immer "touristisch" genutzt. Doch richtig los ging es erst nach Mitte des 19. Jahrhunderts. Denn noch bei Stützle können wir 1848 lesen, dass es zwar viele Gewerbe gab, aber "allein die vorzüglichste Lebensweise und der ergiebigste Nahrungszweig ist die Alpwirtschaft und Sennerei im Sommer und Winter." Kein Wort finden wir bei ihm über die "Fremden". Da er den Ort schon 1849 wieder verließ, hat er die schon kurz darauf einsetzende touristische Entwicklung Oberstdorfs nicht mehr mitbekommen.
Und diese setzte mit der Pacht der Oberstdorfer Gemeindejagd durch den damaligen Prinz Luitpold von Bayern im Jahre 1851 vehement ein. Wenn sich ein so wichtiger Adeliger aus höchstem Hause für ein so weit abgelegenes Dörfchen in den Allgäuer Alpen interessierte, dann musste da auch was dran sein. Eine bessere Werbung für Oberstdorf konnte es kaum geben. Im Jahre 1896 zog einer der reichsten Männer Deutschlands nach. Cornelius Freiherr von Heyl zu Hernsheim erwarb das Gerstruber Tal mit allen Häusern und Alpen und wurde Vorbild für viele andere, die dort Urlaub machen wollten, wo die "Haut volee" verkehrte.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte sich ein immer größeres Interesse am Alpinismus. Es wurde "en vogue" auf unsere Berge zu klettern. Dr. Otto Sendtner, Anton Waltenberger und Hermann von Barth bestiegen unsere Berge und fertigten in der Folge ihre Tourenbeschreibungen. Aus armen und missachteten Hirtenbuben wurden in wenigen Jahren geachtete und bewunderte Bergführer. Ein großer Meilenstein war die Herausgabe des ersten Führers, der 1856 von Dr. Joseph Groß veröffentlicht wurde. Er war einige Zeit Arzt in Oberstdorf und nutzte seine Freizeit, von der er sicher mehr hatte, als damals ein normaler Oberstdorfer Bauer, um die Umgebung Oberstdorfs zur erkunden und auch um mehrere Bergfahrten unter ortskundiger Führung zu machen. Im Jahre 1875 wurde die ersten Unterkunftshütte, das Waltenberger Haus gebaut und die Alpenvereinsektionen gingen daran neu Wege anzulegen. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war fast das gesamte heute bestehende alpine Wegenetz erstellt und wurde von den immer zahlreicher erscheinenden Sommerfrischlern ausgiebigst genutzt.
Der Gemischtwarenhändler Vogler und der Gemeindearzt Dr. Ulrich Reh gründeten 1871 den ersten Verkehrsverein in Bayern. Mit 400 privaten Goldgulden und dem „geplünderten" Jungahorn-Bestand der Gemeinde bepflanzten sie gleich im ersten Vereinsjahr zehn Kilometer Spazier- und Wanderwege zu schattigen Alleen. Die Kurtaxe lag bei zwölf Kreuzern. Unter dem ersten Kurdirektor Vogler entstanden 1883 die Moorwasser-Badeanstalt und das „Gesellschafthaus", in das selbst der Prinzregent Luitpold mit seiner Gesellschaft gerne zum Kegeln kam.
Mit der Eisenbahn im Jahr 1888 kam endgültig der große Aufschwung im Fremdenverkehr. Hierzu gestaltete Franz Alois Schratt das erste Werbeplakat. 1899 entstand mit dem Parkhotel Luitpold ein erstes Grandhotel im pompösen Stil der Gründerjahre. 1900 baute Fritz Gschwender sein „elektrisches Lohtanninbad" an der Trettach, in dem Kuren gegen Rheuma und andere Zipperlein angeboten wurden. Der Kurbeitrag betrug nun 20 Pfennig pro Person. Er wurde bis 1933 nicht erhöht!
Nachdem das Schwefelbad gewaltig an Attraktivität verloren hatte, war Tiefenbach als Fremdenverkehrsort nicht mehr "in". Der damalige Pfarrer Johann Schiebel war es, der versuchte, die Armut in seiner Pfarrei mit Hilfe des Fremdenverkehrs zu bekämpfen. Zusammen mit weiteren Idealisten gründete er 1904 einen Verein, der das Geld für die Erschließung der Breitachklamm aufbringen sollte. Schon ein Jahr später war der Weg von Spezialisten, die extra aus Südtirol geholt wurden, in die Klamm gesprengt. Noch heute wird die Schlucht jährlich von Hunderttausenden besucht.
Karl Hermann Schallhammer wurde in den 20er Jahren Kurdirektor und trieb mit Weitsicht den Fremdenverkehr voran. Der gewünschte Bau eines Kurhauses gelang ihm zwar nicht, aber unter seiner Führung entstanden ein „Kurplatz", der Vorläufer des Kurparks, die erste Schattenberg-Schanze und ein Tennisgelände und Eisplatz an der Fuggerstraße. Einen Meilenstein stellte die Eröffnung der Nebelhornbahn 1930 dar, die auch dem "Flachlandtouristen" die alpine Welt erschloss.Damals verbuchte der Oberstdorfer Fremdenverkehr bei rund 5.000 Gästebetten schon über 600.000 Übernachtungen. In den dreißiger Jahren wurde das Heimatmuseum eröffnet, die Wandelhalle im Kurpark erbaut und Oberstdorf erhielt das Prädikat "Heilklimatischer Kurort".
Nach dem Krieg geht es Schlag auf Schlag. Das "Wirtschaftswunder Deutschland" wirkt sich natürlich auch auf Oberstdorf und seinen Fremdenverkehr aus. Bis zur Jahrtausendwende erhöht sich die Zahl der Gästebetten auf ca. 18.000 und es können beinahe 2.500.000 Übernachtungen pro Jahr verbucht werden. Meilensteine für den Fremdenverkehr waren u.a. folgende Ereignisse bzw. Bauten: Skiflugschanze, Söllereckbahn, Kunsteisstadion, Kur- und Kurmittelhaus, Höllwieslift, Anerkennung als Kneippkurort, Fellhornbahn und die Nordische Skiweltmeisterschaften.
Links
Verschönerungsverein (extern)
Tourismusraum im Heimatmuseum (extern)