Flachsanbau in Oberstdorf

Flachsbreche (Heimatmuseum Oberstdorf)
Flachsbreche (Heimatmuseum Oberstdorf)
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Bis vor etwa 150 Jahren gehörte der blaublühende Flachs, der auch Lein genannt wird, mit zum vielfarbigen Bild der Äcker, die unseren Ort umgaben und auf denen u.a. auch winterharte Getreidesorten, Kartoffeln und Gemüse angebaut wurden. Die Oberstdorfer Bergbauern waren Selbstversorger, die auf den Äckern und auch auf den Alpen das gewannen, was sie zum Leben benötigten. Das reichte jedoch meist nur für das nackte Überleben. Wollten sie sich jedoch etwas Besonderes leisten, das sie nicht selbst produzieren oder herstellen konnten, benötigten sie Geld. Der Anbau der uralten Kulturpflanze Flachs bot nun neben der Viehzucht eine weitere Möglichkeit, um die Haushaltskasse der Familie etwas aufzubessern.

Im Frühjahr wurde der Leinsamen ausgesät. Bald schon wurde aus dem grünen Feld ein blaues Blütenmeer. Ab Mitte September konnte der Flachs geerntet werden. Dabei wurde er büschelweise aus der Erde gerissen, die Wurzeln ausgeschüttelt und die Bündel über die Heinzen getrocknet. Nach ungefähr 10 Tagen transportierte man die Bündel vorsichtig zum Bauernhof, damit die wertvollen Samenkapseln nicht verloren gingen. Die Flachsbüschel zog man nun durch eiserne „Riffel“, wobei der Samen in die ausgebreiteten Tücher fiel. Das aus diesen Leinsamen gepresste Öl ergab ein hochwertiges Speise- und Heilöl. Das Flachsstroh wurde nun für einige Tage zum „Rösten“ in Teiche oder in Wassergräben gelegt. Der Flurname "Flachsröste" im Faltenbach erinnert daran. Beim Rösten löste sich die Verbindung zwischen den Faserbündeln und dem sie umgebenden Gewebe.

Um die holzigen Teile der Pflanze, z.B. die Rinde, zu lösen, wurden die Stängel zuerst in der "Flachsbreche" gebrochen. Im "Schwingstock" schlug man darauf die holzhaltigen Teile mit dem hölzernen Schwingmesser von der Flachsfaser. Beim anschließenden „Hecheln“ zog man die Flachsfasern werden durch Bürsten mit eisernen Zähnen. Dabei trennten sich einerseits die kurzen von den langen Fasern und andererseits wurden die langen Fasern parallelisiert. Diese spann die Hausfrau mit dem Spinnrad zu Fäden. Dieses Garn konnte nun im Winter zu Leintüchern verarbeitet werden. Deshalb stand früher in jedem Oberstdorfer Bauernhaus in einem kühlen und feuchten Raum ein Webstuhl. Die naturfarbenen Leintücher bleichte man schlussendlich, in dem man sie in einer Wiese aufgespannte und länger der Sonnenstrahlung aussetzte.

Stolz brachte man nun die Leintücher zur „Leinenschau“ nach Immenstadt. Dort wurde die Ware gesichtet, taxiert und schließlich gab es das erhoffte Geld.

Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts unser Leinen von der billigeren Baumwolle verdrängt wurde, waren Verarmung und bittere Not die Folgen. Viele Familien wanderten in dieser schlimmen Zeit nach Amerika aus. Erst von Karl Hirnbein und Johann Althaus lernten unsere Landwirte, dass man auch mit Käse Geld verdienen konnte. Die Umstellung auf die Milchwirtschaft brachte Mitte des 19. Jahrhunderts den erhofften Aufschwung.

Blüte der Flachspflanze
Blüte der Flachspflanze
Dagmar Zechel pixelio.de
Flachspflanze zum "Rösten" ausgebreitet
Flachspflanze zum "Rösten" ausgebreitet
CC BY-SA 3.0, Rilegator Wikipedia
Flachsriffel (Heimatmuseum Oberstdorf)
Flachsriffel (Heimatmuseum Oberstdorf)
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Flachsschwinge (Heimatmuseum Oberstdorf)
Flachsschwinge (Heimatmuseum Oberstdorf)
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