"Hundert Duma send au a Maß!"

Wasserfall im Faltenbachtobel
Wasserfall im Faltenbachtobel
AR

Vor vielen Jahren gab es einen Wirt in der Wirtschaft zum Löwen, der eine ganz besonders verwerfliche Angewohnheit besaß: Beim Einschenken hielt er immer seinen Daumen ins Glas. Dazu bemerkte er süffisant: „Damit’s a güets Maß git". Seine ehrliche Frau warnte ihn deshalb des öfteren und meinte, dass er sein Handeln irgendwann einmal büßen müsse. Er lachte sie jedoch aus und  entgegnete nur: "Hundert Duma send au a Maß!"

Diesen Frevel musste er natürlich nach seinem Tode bitter büßen und fortan in den tiefen, zweistöckigen Bierkellern unter der Löwenwirtschaft als Geist sein Unwesen treiben. Dort unten  schlurfte er jetzt als geisternder Wirt mit einem Krug umher. Mal hörte man ihn unter der Stiege und manch einer sah ihn sogar mit seiner Knochenfaust am Spund der Fässer herumwerkeln. Denn besonders schlimm erging es seinem Daumen, denn dieser glühte und bereitete ihm höllische Schmerzen. Was blieb ihm also anders übrig, als diesen in ein Fass zu rammen, um dort Linderung im kühlen Bier zu suchen. Dadurch wurden die Fässer im Löwenkeller jedoch häufig undicht und liefen aus. Seine Nachfolger wären deshalb beinahe auf die Gant gekommen.

In ihrer Not ließen sie aus diesem Grund einen Kapuziner aus Immenstadt kommen, damit dieser den Geist verbanne. Der Pater beschwor ihn und trug ihn in seinem Kuttenärmel zum Faltenbach hinauf. Trotz heftiger Gegenwehr schaffte der Kapuziner es, den Geist in den Strudel des Faltenbachwasserfalles zu verbannen. So hatte die Löwenwirtschaft wieder Ruhe vor ihm.

Im Sommer, wenn der Faltenbach wenig Wasser führt, konnte man dort öfter eine Kröte der Größe eines neugeborenen Kalbes sehen, die einen mit traurigen Augen anblickte. Das war wohl der Löwenwirt, der auf seine Erlösung wartete. Da man sie jedoch in der letzten Zeit nie mehr sehen konnte, scheint sie doch von jemandem erlöst worden.
(nacherzählt von A. Rößle)