Das Nachtvolk blendet neugierige Tiefenbacherin

Oberstdorf Tiefenbachs Schwefel- und Kneippbad (um 1950)
Tiefenbachs Schwefel- und Kneippbad (um 1950)
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In Tiefenbach hörte einmal ein Weib das "Nachtvolk" kommen, und weil die Musik gar so wunderschön "iechte*" und immer lauter und vernehmlicher wurde, hätte sie ums Leben gern einmal erfahren, was denn da alles vorbeigehe. Sich hinaus zu begeben, ja selbst bloß zum Fenster hinauszublicken getraute sie sich aber nicht; denn sie wußte wohl, daß es da keinen Vorwitz und Frevel leide, und so wollte sie nur zu einem "Neberloch**" hinaussehen.
Wie sie aber den Kopf nun wegwandte, bemerkte sie mit Schrecken, daß sie an einem Auge stockblind sei. Was sie auch dagegen that, kein Mittel wollte anschlagen, und kein Doktor konnte helfen. Da riet endlich jemand dem Weibe, sie solle übers Jahr wieder genau zur nämlichen Zeit zu dem Neberloch hinausblicken. Sie befolgte das, und da kam ordentlich das Nachtvolk wieder, und beim Vorbeiziehen hörte sie eine Stimme "Da hab ich feant* ein Zäpflein eingesteckt und will es doch wieder mitnehmen!" Sogleich war das Neberloch offen, und auch das Weib sah von dem Augenblick an an dem Auge wieder wie zuvor.

* iechte: ?
** Neberloch: Astloch
*** feant: im Vorjahr