Parkhotel Luitpold

Gesellschaftshaus Zur Mitte des 19. Jahrhunderts lebten während des Sommers schon einige hundert »Fremde« in Oberstdorf. Das Angebot für diese „Sommerfrischler" war - außer der herrlichen Natur - bescheiden, wenn nicht gleich null. Ein „Consortium" von sieben Bürgern um den Sonnenwirt Anton Eltrich trat diesem Missstand entgegen und erbaute 1862 südlich der Kirche den „Sommergarten", eine bescheidene Gartenwirtschaft mit Kegelbahn. Das war in Oberstdorf der erste Schritt in Richtung Kurhaus. Als sich die Zahl derer, die hier ihre „Sommerfrische" verbrachten, immer weiter erhöht hat und als gar 1876 bis Sonthofen eine Eisenbahn fuhr, reichten während der Sommersaison im „obersten Dorf' des Illertales die vorhandenen Gastwirtschaften nicht mehr aus. Der Gast stellte höhere Ansprüche und zudem es fehlten Räumlichkeiten für größere Veranstaltungen.  Bedingt durch verschiedene finanzielle Umschichtungen nach dem Großbrand von 1865 bestand das Consortium des „Sommergartens" im Jahre 1982 noch aus dem Kaufmann Ludwig Gschwender, dem Zimmermeister Leonhard Huber und dem Holzhhändler und Sägewerker Carl Schraudolf. Von diesen erkaufte der Mohrenwirt Steiner das Bauwerk samt Grundstück.

Der „Mohrenwirt" ergriff im Jahre 1883 die Initiative und erstellte südlich des Schulhauses neben dem Sommergarten ein "Etablissement" und nannte es Gesellschaftshaus. Im Prospekt des „Mohren'' war dieses Nebenhaus gar als "Curhaus" bezeichnet. Daß es in diesem Gesellschaftshaus neben der Gastronomie ein Lesezimmer, ein Musikzimmer, ein Billardzimmer, ein russisches Kegelspiel, ein Kinderspielzimmer, eine Nichtraucherabteilung und im Freien einen Kinderspielplatz gab, war für jene Zeit schon gehobner Standard.

Als 1886 nach dem Tode von König Ludwig II. als dessen Onkel, Oberstdorfs Jagdherrn SKH Prinz Luitpold von Bayern, der Regent des Landes wurde, erfuhr ganz Oberstdorf und besonders das Gesellschaftshaus eine gewaltige Aufwertung. Bei den jährlich stattfindenden Hofjagden war das neue Haus der Rahmen für gesellschaftliche Veranstaltungen. In der zwischenzeitlich zum Gesellschaftshaus zählenden Kegelbahn des einstigen Sommergartens gab sich Prinzregent Luitpold gelegentlich mit Jagdgästen und Honoratioren des Ortes dem Kegelspiel hin.

Die Eröffnung der Eisenbahnlinie Sonthofen - Oberstdorf anno 1888, Oberstdorfs größte technische Neuerung im 19. Jahrhundert, wurde von der Hautevolee des Oberallgäus auch im Gesellschaftshaus gefeiert. Für das große Festessen die Speisenkarte zeigte schon gehobenes Niveau. Eine besondere Abwechslung für Gäste und Einheimische waren jeweils als Abschluss der Hochgebirgsübungen des Kemptener Jägerbataillons das Konzert der Regimentsmusik im Gesellschaftshaus.  Allerdings war dem Gesellschaftshaus kein langes Leben beschieden. Schon im Jahre 1899 fiel es der Spitzhacke zum Opfer und an seiner Stelle entstand Oberstdorfs erste Nobelherberge, das Parkhotel Luitpold. Dieser Namensgebung hat seine "Seine Königliche Hoheit Allerhöchst zu genehmigen geruht."

„Das Luitpold" in Oberstdorf war bald eine erste Adresse. Zimmer mit Warmwasserheizung, fließend warm und kalt Wasser, elektrischem Licht, Telefon, Balkon und die Süd-Suiten sogar mit Nasszellen boten alles was der Gast damals begehrte. Als nach Jahren auch noch ein Lift eingebaut wurde, war die Wunschliste perfekt.

Die Gästebücher des Luitpold weisen in den 20er und 30er Jahren klingende Namen auf. Vom Generalmusikdirektor Richard Strauß bis hin zum Zeppelinkonstrukteur Hugo Eckener, vorn Hamburger Ehepaar Hagenbeck bis zum Generaldirektor der Kruppwerke, Alfred Hugenberg, und vom Literaten Waldemar Bonsels bis zum Hubschrauberkonstrukteur Anton Flettner reichte zum Beispiel das Spektrum der Gäste. Für eine ganze Reihe von Mitgliedern des deutschen und europäischen Hoch- und Finanzadels war das Luitpold Urlaubsziel.

Als Kinder standen wir gelegentlich abends auf den hohen Schneehaufen an der Prinzenstraße und schauten neugierig durch die großen Fenster in den von riesigen Glaslüstern hell erleuchteten Saal. Herrn im Smoking und Damen in entsprechender Garderobe schwebten da beim 5-Uhr-Tee über das Parkett; für uns Kinder damals eine Märchenwelt.  Diese Blütezeit war dahin als der Zweite Weltkrieg ausbrach. Alsbald wurde das Luitpold Heereserholungsheim und schließlich 1944, wie fast alle Oberstdorfer Hotels, Lazarett. Doch der Niedergang des Hotels begann, als 1945 die Besatzungstruppen einzogen.

Trostlos sah es in dem Hause aus, als es endlich in den Fünfzigerjahren freigegeben wurde. Der Markt Oberstdorf ergriff die einmalige Gelegenheit und kaufte das Hotel aus dem Besitz der Erbengemeinschaft. Das Anwesen mit dem großen Areal mitten im Ort sollte Oberstdorfs Kurhaus werden. Nun standen unsere Ratsherrn vor der schwierigen Entscheidung das abgewirtschaftete und zwischenzeitlich veraltete Haus umzubauen und zu erweitern, oder an seiner Stelle einen Neubau zu errichten.  Nach verschiedenen Interims- und Notlösungen entschloß man sich zum Neubau. In der Sichtbeton-, Glas- und Acella-Zeit der späten Fünfzigerjahre war der Jugendstilbau des Luitpold nicht besonders gefragt und so fiel er der Spitzhacke zum Opfer. Ob man das romantische Bauwerk heute auch noch abbrechen würde?

Verschiedene Baupläne lagen den Verantwortlichen vor. Aus Kostengründen entschied man sich für die kleinere und letztendlich teurere Lösung, denn dem kleinen Kursaal von 1962 mußte 1972 der große Saal folgen. Es ist heute müßig über Wenn und Aber zu diskutieren, immer die nächste Generation hat die Folgen von Entscheidungs- und Bausünden der Vorgänger zu tragen.

Natürlich war es für Oberstdorf ein Riesenschritt, als mit dem neuen Kurhaus Räumlichkeiten für Tagungen und Großveranstaltungen zur Verfügung standen. Natürlich herrschte helle Freude, als erstmals ein Hallenbad für Oberstdorfs Gäste und die Bevölkerung vorhanden war. Natürlich war es ein wichtiger und richtiger Schritt, als mit dem Kurmittelhaus im Gesundheitsbereich ein Markstein gesetzt wurde; das war die Basis der heutigen Wellnessbewegung. Dabei darf nicht vergessen werden, daß gleichzeitig das Hallenbrandungsbad entstand.

Die Zeit ist nicht stehen geblieben, Oberstdorfer Spitzenhotels haben exklusive Wellnessabteilungen errichtet. Im Oberen Allgäu entstanden neue Bäder und Kurhäuser. Oberstdorf war vor mehr als 40 Jahren Vorreiter gewesen und muß jetzt der neuen Generation gerecht werden. Seit mehr als einem Jahrzehnt rauchen die Köpfe der Rastherrn, wenn das Thema Kurhaus auf der Tagesordnung steht. Über ein Jahr Bauzeit rund damit verbundene Probleme liegen hinter uns. Mit der Inbetriebnahme des umgestalteten Hauses, das nun "Oberstdorf Haus" heißt, begann eine neue Ära in Oberstdorfs Kurleben.

Parkhotel Luitpold - 1. Nobelhotel in Oberstdorf
Archiv der Marktgemeinde Oberstdrof, Nr. 218
Parkhotel Luitpold erbaut 1899 mit Kurplatz Apotheke um 1938
Archiv der Marktgemeinde Oberstdorf, Nr. 02