Die Alpwirtschaft - ein geschichtlicher Rückblick
Mittelsteinzeit (8000 - 4000 v. Chr.):
Unser Alpenraum ist seit Jahrtausenden von Menschen besiedelt. Sicher waren es zuerst die Alpwiesen überhalb der Baumgrenze, die von wandernden Nomaden seit der Mittelsteinzeit besucht wurden. Funde von zahlreichen Steinwerkzeugen, die Christoph Graf Vojkffy bei seinen Versuchsgrabungen rings um Oberstdorf machte und auch die neuesten Funde bei der Schneiderküren-Alpe im Ifengebiet (1) und den Feuersteinmädern im Gemsteltal untermauern diese These. Damals zogen die Menschen noch den wandernden Wildschaf- und Wildziegenherden bei ihren jahreszeitlichen Wanderungen hinterher. Hirsch und Gämse waren die bevorzugten Jagdtiere.
Jungsteinzeit - Bronzezeit - Eisenzeit (4000 - 16 v. Chr.)
Stämme aus dem Prügelweg im Agathazeller Moor, sowie eine Bronze-Lanzenspitze und zwei Bronze-Beile, die in den Hochtälern um Oberstdorf gefunden wurden, verweisen in die Bronzezeit (ca. 1800 - 1500 v.Chr.) bzw. in die frühe Hallstattzeit (ca. 1000 v.Chr.). Damals (wahrscheinlich sogar seit der Jungsteinzeit) besaßen die frühen "Älpler" schon eigene Viehherden, mit denen sie die Sommerweiden besuchten.
Römerzeit und frühes Mittealter (16 v. Chr. - ca 1059 n. Chr.)
Der Fund einer bronzenen, römische Kuh- und Pferdeglocke aus dem 1. Jahrh. n. Chr. auf dem Weg zum Nebelhorn. beweist die Kontinuität der Alpwirtschaft auch in der Römerzeit. Die Römer (u.a. Plinius ist der Ältere in Naturalis historia) rühmten den Alpenkäse der Kelten, was daraufhin deutet, dass die Alpwirtschaft schon eine gewisse Blüte erreicht hatte (2).
Aus verschiedenen Urkunden wissen wir, das die Alpwirtschaft auch im frühen Mittelalter bestand hatte. Dabei werden die Oberstdorfer Alpen in einer Urkunde aus dem Jahr 1059, in der es um den Wildbann im Illerquellgebiet ging, erstmals sicher erwähnt.(3)
Mittelalter und Neuzeit (1059 - ca. 1830)
Aus der Siedlungsgeschichte wissen wir, dass die Erschließung der Alpen der Besiedlung der Tallagen weit vorausging. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Bewirtschafter der meisten Alpen überhalb der Baumgrenze aus den weiter nördlich liegenden Gemeinden (Altstädten - Sulzberg) des Allgäus kamen. Später wurden auch Alpen unterhalb der Baumgrenze durch Rodung erschlossen. Die Alpen wurden zur Aufzucht von Gaißen, Schafen, Rindern und Pferden genutzt. Die Käseherstellung stand zwar noch nicht im Mittelpunkt, obwohl sie schon früh in Urkunden nachweisbar ist. (4) Allgäuer Alp-Käse wurden an die Klöster des Unterlandes geliefert.
Als der Ort Oberstdorf vor etwa tausend Jahren seinen Ursprung nahm, kamen die Viehherden von den Alpen auf ihrem Weg vom und ins Flachland sicher dort vorbei. Die Wiesen Oberstdorfs wurden als Zwischenstation vor dem großen Anstieg genutzt. Schon sehr früh etablierte sich der Mitte September stattfindende Viehscheid, bei dem das Vieh wieder an ihre Besitzer zurückgegeben werden.
Besonders auf die Mast von Kälbern spezialisierten sich unsere Bauern. Sie wurden 2-3mal geälpt und danach gleich nach dem Viehscheid am 14.9. beim "Mangenmarkt" in Sonthofen verkauft. Ca 300 bis 350 Stück "geschnittene" sollen das zu Ende des 18. Jahrhunderts gewesen sein. Auf dem Markt selbst sollen über 6000 Stück Vieh gehandelt worden sein. Einen Teil der Stiere wurde wiederum von einheimischen Händlern aufgekauft und danach über das Rappenalptal in die Schweiz und nach Italien getrieben. 1785 waren es 856 Tiere, die auf diesem Weg exportiert wurden.
Auch die Pferdezucht war bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein großer Wirtschaftsfaktor. Das "Allgäuer Pferd" besaß einen guten Ruf und Oberstdorfer Pferde wurde u.a. über Lindenberg bis nach Italien verkauft. (5) Auch unser Wappen geht hierauf zurück.
Der Aufschwung der Milchwirtschaft (ab 1800)
Im Jahre 1800 wurde von der französischen Besatzung eine Viehkrankheit eingeschleppt, an der alleine in Oberstdorf 800 Stück Vieh verendeten. Erst 15 Jahre später klang die Seuche ab, die Verarmung vieler Familien war die Folge.
Mit der Einverleibung Schwabens in das Königreich Bayern, ging auch der Viehabsatz nach Süden stark zurück. So wurden1803 nur noch 301 Stiere über das Rappenalptal exportiert.
Obwohl Oberstdorf selbst davon nicht so stark betroffen war, da Flachs in unserem Ort nie die Haupterwerbsquelle darstellte, wirkte sich auch der Niedergang des Flachsanbaus zu Beginn des 18. Jahrhunderts bei uns aus. Es kam es im gesamten Allgäu zu einer Rezession.
Aufschwung nahm die Alpwirtschaft aber im gesamten Allgäu deutlich, als in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Käseherstellung von Limburger (Karl Hirnbein) und Emmenthaler (Johann Althaus) eingeführt wurde. Dieser Käse war einerseits länger haltbar und wurde auch von den "Städtern" gerne gekauft. Nach und nach stellten viele Alpen von Galtvieh auf Milchkühe um, wurden als zu Sennalpen. Schon 1819 waren das ca 20 im Oberstdorfer Raum. Auch in den Tälern wurde der Anbau von Getreide und Kartoffeln eingestellt und dafür mehr Kühe angeschafft. 1854 zählte man in Oberstdorf nur 13 Stiere, 519 Jungvieh und 412 Kälber, dagegen jedoch 1217 Kühe.
Jetzt unterschied man zwei Arten von Alpen:
Galtalpen:
Das Jungvieh (=Galtvieh) wird auf Alpen getrieben, deren Weiden bis ins Hochgebirge (2000 m) reichen. Da natürlich dort oben das Klima unberechenbarer ist, ist die Aufgabe des Hirten sehr schwer.
Am Tag des Viehscheides, in Schöllang ist das normaler Weise der 12. und in Oberstdorf der 13. September, kommt das Galtvieh dieser Galtalpen vom Berg zurück und wird den Besitzern wieder übergeben.
Galtalpen sind zum Beispiel die Rappenalpe, die Biberalpe, die Krautersalpe und die Alpe Taufersberg.
Sennalpen:
Diese Alpen liegen tiefer und sind auch für Sie leichter erreichbar. Auf Ihnen verbringen die ausgewachsenen Milchkühe ihre Sommerfrische. Da die Milchkühe zweimal täglich gemolken werden müssen und die Milch dann zu Käse oder Butter weiterverarbeitet werden muss, wird die Alpe von einem Sennen geführt, der dieses Handwerk versteht. Diese Alpen sind auch sehr oft bewirtschaftet, d. h. dass sie dort Getränke und Brotzeit erhalten können. Das Vieh dieser Alpen wird am sogenannten "Matthästag" (21. September) abgetrieben. Es ist wirklich sehenswert, wenn die ganze Viehherde einer Alpe durch den Ort zum Oybele zieht.
Sennalpen sind zum Beispiel die Alpe Schrattenwang, die Sölleralpe, die Alpe Oberau und die Alpe Breitengehren.
Anmerkungen und Literatur:
1: Im Grabungsbericht finden sich folgende Sätze:
"Der Fundort Schneiderküren befindet sich in den sog. Gottesackerfluren am Fuße des Hohen Ifen (Gem. Mittelberg). Es handelt sich um ein Abri am Rande der Waldgrenze auf 1.500 m Seehöhe. Die rund 15 m lange überhängende Felsformation in unmittelbarer Nähe zu einem natürlichen Wassertümpel bietet ideale Aufenthaltsbedingungen. Die Ergebnisse mehrerer 14-C Messungen belegen, daß hier Jäger und Hirten der Mittelsteinzeit, der Jungsteinzeit, der Bronzezeit und auch noch der Eisenzeit ihre Lager aufgeschlagen hatten."(http://www.uibk.ac.at/c/c6/c615/projekte/proj_99_4.html - Seite leider nicht mehr im Netz)
2: aus "Alpwirtschaft" von P. Nowotny, Kempten 1991, S. 23
3: aus "Alpwirtschaft" s.o., S. 28
4: aus "Geschichte des Marktes Oberstdorf Teil 1" von Dr. Th. Steiner, Oberstdorf 1978, S. 135 ff
5: aus "Geschichte des Marktes Oberstdorf Teil 3" von B. Zirkel und W. Grundmann 1976, S. 72 ff