Das Bergbauerndorf Gerstruben

Gerstruben vom Raut
Gerstruben vom Raut
Ulrich Rößle

Das Foto mit der Ortschaft, der Kapelle und der schaurigen Höfats im Hintergrund ist sicher eines der beliebtesten Fotomotive des Allgäus. Eigentlich ist es das wahre "Bergbauernhofmuseum" des Allgäus, denn nichts musste dazugekauft werden, fast alle Bauernhäuser stehen schon seit vier Jahrhunderten an Ort und Stelle.  Früher waren es zwar einige mehr, aber auch die vier noch erhaltenen bilden zusammen mit der malerischen Marienkapelle eine wunderbare Fotokulisse für die dahinter mächtig aufragenden Berge des Dietersbacher Tales.

Gerstruben liegt ca. 10 km entfernt im Dietersbachtal, einem östlichen Seitental des Trettachtales. Von Oberstdorf führt ein Wanderweg an der Trettach entlang bis zum Weiler Dietersberg. Dort beginnt die Gerstruber Steige, die Sie die letzten 150 Höhenmeter hinauf zu der Ortschaft leitet. Statt dieser kann man im Sommer auch den wunderschönen Fußweg durch die schaurig-romantische Hölltobelschlucht nehmen, der jedoch Trittsicherheit voraussetzt. Als Rückweg bietet sich der sogenannte Rautweg an, der ein wenig weiter südlich ins Trettachtal hinunter führt.
Wer sich den Fußweg sparen will, kann das Marktbähnle nutzen, das häufig an Donnerstagen um 16:30 Uhr vom Oberstdorf Haus aus hinauffährt. An diesem Spätnachmittag und oft auch an Samstagen ist auch das Museum im Jakobehüs geöffnet.  Hin und wieder werden Führungen durch den historischen Ort und sein Museum angeboten. Bitte überprüfen Sie die Aktualität der Termine bei der Kurverwaltung.

Der Sage nach soll Gerstruben sogar älter als Oberstdorf sein. Aber erst im Jahre 1361 tauchte der Ortsname in einer Urkunde auf. Die Bewohner stammten aus dem Kleinen Walsertal. Sie lebten ursprünglich vom Ackerbau, die Gerste im Ortsnamen erinnert daran. Später wurden Viehzucht und Milchwirtschaft Haupterwerbsquelle. Das Leben war jedoch äußerst entbehrungsreich und besonders in den langen Wintermonaten war der Ort wochenlang von der Außenwelt abgeschnitten. So nahmen die meisten Bewohner im Jahre 1892/93 das Angebot einer Kemptner Elektrizitätsgesellschaft dankbar an, alle damals bestehenden 9 Anwesen zu verkauften. Ein Speichersee sollte hier errichtet werden. Das geplante Kraftwerk wurde jedoch glücklicher Weise nie gebaut, die alten Bauernhäuser nie abgerissen. Stattdessen ging im Jahre 1896 das gesamte Tal in den Besitz der Familie von Heyl zu Herrnsheim über, die das Gebiet zur Jagd nutzte. 1953 konnte der Verein Rechtler den Ort wieder in Oberstdorfer Besitz bringen. Die Rechtler erhielten die denkmalgeschützen Bauernhäuser und somit ein ganz besonderes Kleinod im Allgäu. Im „Jakobehüs“ richteten sie ein kleines, aber feines Museum ein, in dem über das frühere Leben in diesem abgelegenen Tal informiert wird. Das einzige moderne Gebäude ist die Wirtschaft, die zu Saisonszeiten die ganze Woche offen hat. Die Gastwirtfamilie Dodier legt vor allem Wert auf regionale Kost. So finden Sie Wildgerichte aus Gerstrubener Jagd, Pilz- und Rehgerichte, oder eine geröstete Hirschroulade regelmäßig auf der Speisekarte.

Berggasthof Gerstruben

Schon Mitte des 19. Jahrhundert wurde Gerstruben von Wanderern und Bergsteigern besucht. Da ist klar, dass sie damals diesen Touristen auch etwas anboten. Groß schreibt 1856: „Die freundlichen Bewohner bieten uns zur Erfrischung Milch, Butter, Honig und Käse.“ Dazu passt auch eine nette Geschichte über eine Besuch König Maximilians II von Bayern, die ich im Anschluss abgedruckt habe. Wann jedoch aus dem Haus Nr. 1 die „Restauration zur Höfatsspitze“ wurde, ist mir nicht bekannt. Auf jeden Fall macht Adolf Berktold im Thürlingsführer von 1891 Werbung für sein Etablissement. Die Wirtschaft liegt etwas oberhalb des malerischen Bergbauerndorfes in 1145 m Höhe. Ursprünglich war es das erste Haus, das man nach der alten Gerstruber Stieg erreichte. Als das ganze Dorf 1892/93 verkauft wurde ging auch die Wirtschaft erst an eine Elektrizitätsgesellschaft und schließlich 1896 an den Freiherrn Cornelius von Heyl zu Herrnsheim über. Da im Modlmayrführer von 1912 die Wirtschaft noch mit dem gleichen Namen geführt wird, scheint sie auch in diesen bewegten Zeiten weiter bewirtschaftet worden sein. Auch heute steht sie noch eine wenig erhöht über dem kleinen Örtchen und ist über eine Stichstraße zu erreichen. 1953 wurde das alte Gebäude abgerissen und durch eine moderne Wirtschaft ersetzt.

Erzählung: Ein unbekannter Gast

De anno 1858 kam eines schönen Tages im Juni ein vornehm gekleideter unbekannter Herr mit noch einigen Begleitern auf das hochgelegene Gerstruben und fragte den nächstbesten Gerstruber, Anton Wolf, welcher gerade vor seinem heimatlichen Haus Nr. 2 weilte, ob es keine Erfrischung gäbe, worauf derselbe erwiderte: „A gaissmill hett i schu, abr die kinnt Ui stark sing", gab aber gleichzeitig seinen guten Willen kund und meinte, daß er ja vom Rauth drüben ein Quantum Kuhmilch holen würde.
Kurz darauf präsentierte er dem unbekannten Besuch einen Stotzen mit Kuhmilch vom Rauth.
Und als der unbekannte Herr immer gesprächiger mit unserem Gerstuber wurde und noch fragte, ob er auch beim Militär gewesen sei, worauf Wolf dann erwiderte, daß er im II-Cürass.-Regim. gedient habe, wurde der Gerstruber immer nachdenklicher.
Als der Herr ihn dann aber fragte, wer er denn sei, antwortete Wolf vorsichtig: „Wolf haiss i, und wenn uina sage tät, Du seieschd dr Kineg, so kinnt bas fascht glöübe".
Und wirklich, nun gab sich unser Unbekannter zu erkennen. Es war König Maximilian II. von Bayern, von dem wir heute wissen, daß es ihm eine besondere Freude bereitete, incognito durch seine schönen Lande zu reisen.
(Eine Erzählung des Oberstdorfers Franz-Alois Schratt)

Das Barone-Hüs
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Gerstruben mit Höfats
Jürgen Mende
Das Jagdhaus vor dem letzten Umbau
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