Die Erschließung der Allgäuer Alpen

Seit über 5000 Jahren werden die Allgäuer Alpen von Menschen besucht: Jäger,  Hirten,  Säumer, Wallfahrer, Händler, Schmuggler, Mineraliensucher, Bergbauern. Sie alle trauten sich, soweit es ihre Zwecke erforderten die Berge hinauf. Die felsigen und steilen Gipfel selbst waren für sie einerseits wirtschaftlich uninteressant und andererseits auch verwunschene und geheimnisvolle Orte, die man besser mied.

Eine erste Beschreibung der Jagdgrenzen in unseren Bergen aus dem Jahr 1059 belegt, dass damals schon genauere Begehungen stattgefunden hatten. Auch Kaiser Maximilians I. (1459 - 1519) Jagdbuch erfasst Teile unserer Oberstdorfer Berge im Oytal. Den Stellenwert der adeligen Jagd belegt übrigens auch der Name des Seilhenkers (siehe dort). Welche Adeligen damals bei uns dann wirklich zur Jagd erschienen und wie weit sie unsere Gipfel erstiegen, bleibt uns jedoch verborgen.

Im Jahr 1660 ließ Fürstbischof Sigismund von Augsburg am See eine Unterkunftshütte erbauen, die er im darauffolgenden Jahr persönlich besuchte. Wahrscheinlich ließ er sich wie bei seiner Tour auf den Grünten in einer Sänfte hinauftragen. Soviel ich weiß, ist das die früheste touristische Bergtour in den Oberstdorfer Bergen, die schriftlich niedergelegt wurde.

Als Maximilian 1806 zum ersten bayrischen König ernannt wurde, ließ er sein neues Reich vermessen. Spiehler nimmt als gesichert an, dass Biberkopf, Mädelegabel, Höfats, Schneck und Großer Wilde erstmals bei der Triangulierung des Allgäus 1818/1819 bestiegen wurden. Auch Leutnant Aulitscheck bestieg bei der Detailaufnahme zwischen 1819 und 1820 viele Oberstdorfer Berge. Die Urpositionsblätter geben Zeugnis davon.

Danach wagen sich Botaniker und Geologen in die unbekannte Bergwelt vor. Die bekanntesten waren Dr. Otto Sendtner und Carl Wilhelm von Gümbel. Natürlich wurden sie von Einheimischen[1] geführt, u. a. werden Franz Schaafhittl, Ignaz Dorn, Johann Seelos und Ignaz Metzler genannte.

Mitte des 19. Jahrhunderts erscheinen die ersten Reiseführer von Karrer, Stützle, Buck, Groß, Eggmann, Lucian, welche die Schönheiten unserer Berge anpreisen. Aber schon Lucian warnte: „… sprechen wir leise, damit uns kein Arrangeur von Vergnügungszügen hört, es wäre schlimm, wenn er das Allgäu entdecke!“

Damals  fangen junge Oberstdorfer selbst an, Interesse an unseren Gipfeln zu finden: Leo Dorn und Thade Blattner  bezwingen die Höfats, die Brüder Alois, Mattias und Urban Jochum  und Baptist Schraudolph[2] die Trettach.

1853 wurde die letzte Teilstrecke der Südnordbahn eröffnet. Mit dem Zug kamen die Alpinisten jetzt schnell bis Immenstadt und schließlich 1888 sogar bis Oberstdorf.

Hermann von Barth, Anton Waltenberger und Anton Spiehler waren die ersten echten Hochtouristen des Allgäus. Mit einheimischen Führern bestiegen sie zahllose Oberstdorfer Berge einfach aus der Lust zum kühnen Wagen. In ihren schriftlichen Werken hielten sie die Touren für die Nachwelt fest und sorgten dafür, dass immer mehr Interesse am Bergsteigen in Oberstdorf bekamen.

Mit der Gründung der Alpenvereinssektion Allgäu im Jahre 1869 nahm die Erschließung der Berge Fahrt auf. In den folgenden 30 Jahren wurden fast alle bekannten Wege, wie auf das Nebelhorn (1872), über den Älpelesattel (1874), durch den Hölltobel (1879) und der Heilbronner Weg[3] (1897), erstellt und Schutzhütten Waltenberger-Haus (1875), Rappenseehütte (1884), Edmund-Probst-Haus am Nebelhorn (1890),  Kemptner Hütte (1891) erbaut. Ein weiterer Meilenstein, war dann die Herausgabe der Alpenvereinskarte von 1906.

Die erste Bergführerordnung[4] wird 1876 erlassen. Die Führer übernehmen bis zur Gründung der Bergwacht im Jahr 1920 auch die Bergrettung.

Alle Gipfel waren bis Mitte des 19. Jahrhunderts auf einfacheren Wegen bezwungen. Sportkletterer wie Rädler und Heckmaier nehmen sich jetzt die schwierigeren Routen und Wände vor.

Fritz Heimhuber und Dr. Max Madlener besteigen 1897 das Nebelhorn mit Skiern[5]. Schon wenige Jahre später werden die ersten Skitourenführer herausgegeben und 1906 der Skiclub gegründet.

Um die Jahrhundertwende wird das Edelweiß, das zuvor ein unbeachtetes Dasein führte, zu einem Verkaufsschlager. Innerhalb von wenigen Jahren ist es nur noch an schwer zugänglichen Stellen zu finden. Der Alpenverein setzt 1911 ein Verkaufsverbot für Alpenpflanzen in Bahnhöfen des Oberallgäus durch. Rund um die Höfats wird ein erstes Naturschutzgebiet eingerichtet. Im Jahr darauf lässt Prinzregent Luitpold auch die Adlerjagd einstellen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts werden in den deutsche Alpen die ersten Berge mit Bahnen erschlossen. Mit der Eröffnung der Nebelhornbahn 1930 hält auch in den der Allgäuer Alpen der Massentourismus Einzug.

 

Die ersten genauen Karten der Berge wurden mit den Urpositionsblättern zu Beginn des 19. Jahrhunderts erstellt.
Die ersten genauen Karten der Berge wurden mit den Urpositionsblättern zu Beginn des 19. Jahrhunderts erstellt.
gemeinfrei (Landesvermessung Bayern)
Der Botaniker Carl Wilhelm von Gümbel erforschte die Allgäuer Alpen.
Der Botaniker Carl Wilhelm von Gümbel erforschte die Allgäuer Alpen.
gemeinfrei
Der wagemutige Thade Blattner führt an der Höfats mehrere Erstbegehungen aus.
Der wagemutige Thade Blattner führt an der Höfats mehrere Erstbegehungen aus.
Archiv Heimatmuseum Oberstdorf
Der Oberstdorf Jäger Leo Dorn, der mehrere Erstbesteigungen an der Höfats durchführte
AR
Hermann von Barth gehörte zu den ersten echten Hochtouristen des Allgäus.
Hermann von Barth gehörte zu den ersten echten Hochtouristen des Allgäus.
AR
Der Erstbesteiger der Trettach Urban Jochum
Der Erstbesteiger der Trettach Urban Jochum
Archiv Heimatmuseum Oberstdorf
Anwesenheitstafel der Oberstdorfer Bergführer
Anwesenheitstafel der Oberstdorfer Bergführer
Archiv Heimatmuseum Oberstdorf